27.06.2013

Räude: neues Pseudo-Alibi für die Fuchsjagd

Von Dag Frommhold www.fuechse.info

Während Tier- und Naturschützer mehr Schutz für Meister Reineke fordern, behaupten Jagdverbände, man müsse Füchse intensiv bejagen. In jüngster Zeit führen sie als Argument dafür immer mehr die Bekämpfung der Räude ins Feld. Einer kritischen Betrachtung hält diese Sichtweise jedoch nicht statt. Tatsächlich dürfte es vielmehr die Lust an der Fuchsjagd sein, die Waidmänner dazu motiviert, gegen den Schutz von Füchsen Sturm zu laufen.

Mit besonders harten Bandagen wird die Auseinandersetzung um die Fuchsjagd derzeit im Saarland geführt: Dort gilt seit 2010 eine sechsmonatige Schonzeit für Füchse. Vielen Jägern ist selbst dieser vorübergehende Schutz ihres Beutekonkurrenten Reineke ein Dorn im Auge. Sie argumentieren, Füchse hätten sich seit Einführung der Jagdruhe stark vermehrt, wodurch nun vermehrt die Räude auftrete.

Allerdings gibt es weder für die behauptete Zunahme der Fuchspopulation noch für eine eventuelle Ausbreitung der Räude überhaupt belastbare Daten. Die Anhaltspunkte, die tatsächlich existieren, weisen eher auf das Gegenteil hin: Die Anzahl der getöteten Füchse ist seit Inkrafttreten der Schonzeit deutlich gesunken. Wurden 2009/2010 im Saarland noch 4.701 Füchse von Jägern getötet, so waren es 2010/2011 nur noch 3.559 und 2011/2012 lediglich 2.890 Tiere. Auch von Wildtierstationen wurde gemeldet, dass tendenziell weniger verwaiste Jungfüchse abgegeben wurden.

Als Mittel zur Bekämpfung von Wildtierseuchen ist die Jagd gerade beim Fuchs eher kontraproduktiv: Bestandsverluste durch die Jagd lassen die Geburtenrate steigen, dadurch wächst der Anteil an Jungfüchsen in stark bejagten Revieren. Da Jungfüchse im Herbst auf Reviersuche gehen und dabei oft kilometerweit wandern, sind sie es meist, die Krankheiten erst in neue Gebiete einschleppen.

Mehr Jagd - mehr junge Füchse
Bild: Fabien Gagnon
Fakt ist zudem, dass die Räude schon seit Jahrzehnten in unregelmäßigen Abständen lokal aufflackert. Dabei zeigt sich, anders, als etwa vom Landesjagdverband Saar behauptet, dass vor allem geschwächte Füchse besonders anfällig für eine Infektion sind. Neben Parasiten, Krankheiten oder Nahrungsmangel kann auch hoher Jagddruck die Konstitution der Tiere beeinträchtigen. So zeigen verschiedene Studien, dass beim Tod eines Fuchsrüden, der seine Familie mit Nahrung versorgt, der körperliche Zustand sowohl der Füchsin als auch der Welpen erheblich beeinträchtigt wird. Auch dies legt eine kontraproduktive Wirkung der Fuchsjagd nahe.

Mittlerweile kann übrigens als gesichert gelten, dass sich vielerorts Fuchsbestände herausbilden, die weitgehend gegen die Räude resistent sind. Nur bei einem kleinen Teil dieser Tiere treten tatsächlich Symptome auf. Jäger können einem Fuchs eine eventuelle Räuderesistenz jedoch nicht ansehen und töten somit wahllose resistente Tiere ebenso wie für den Parasiten anfällige. Infolgedessen wird der sich aus der Resistenz ergebende Überlebensvorteil eliminiert, was abermals dem Ziel der Reduktion von Räudefällen in Fuchspopulationen zuwiderlaufen dürfte.

Auf Mäusejagd
Bild: www.frecherfuchs.de

Auch in Baden-Württemberg moniert der Jagdverband seit geraumer Zeit angeblich viel zu hohe Fuchsdichten und führt ins Feld, dass eine intensive Bejagung der Fuchspopulation für die Eindämmung der Räude unerlässlich sei. Einzelne Vorkommen von Räude, öffentlichkeitswirksam in Tageszeitungen platziert, erwecken für den unbedarften Bürger den Eindruck eines massiven Befalls der Füchse. 

Wirft man jedoch einen Blick auf die Fakten, relativieren sich die Warnungen der Jägerschaft dramatisch: Studien zeigten, dass von 2.481 Füchsen nur etwa drei Prozent tatsächlich in Kontakt mit Räudemilben gekommen waren. Als Haut und Fell dieser etwa 80 Tiere genauer untersucht wurden, stellte sich heraus, dass nur vier von ihnen tatsächlich äußere Merkmale einer Räudeerkrankung aufwiesen. Hochgerechnet bedeutet dies, dass von 10.000 baden-württembergischen Füchsen etwa 300 räudepositiv sind und gerade einmal 15 von ihnen auch Symptome zeigen.

Diese Zahlen belegen eindrucksvoll das tatsächliche Ausmaß des vermeintlichen „Räudeproblems“ und legen nahe, dass Jagdverbände die Räude wie zuvor Tollwut und Fuchsbandwurm instrumentalisieren, um in der Bevölkerung Rückhalt für die Bejagung des Fuchses im allgemeinen und die Rücknahme der Schonzeit im Besonderen zu gewinnen.

Dass es bei der Fuchsjagd letztlich um etwas ganz anderes als den Kampf gegen Wildtierseuchen geht, zeigen beispielsweise Jagdforen im Internet, in den Jäger sich stolz mit ihrer blutigen Beute – ob Altfuchs oder Welpe – präsentieren. Vor den Augen einer immer kritischeren Öffentlichkeit dürfte Jagdlust aber kaum als Argument für die massenhafte Tötung von Füchsen bestehen können.


Literatur:
    Constantin, E.-M. (2005): Epidemiologische Untersuchung zur Verbreitung der Räude beim Rotfuchs (Vulpes vulpes) in Baden-Württemberg. Dissertation, Berlin.
    Davidson, R.; Bornstein, S.; Handelanda, K. (2008): Long-term study of Sarcoptes scabiei infection in Norwegian red foxes (Vulpes vulpes) indicating host/parasite adaptation. Veterinary Parasitology, Vol. 267(3-4): .
    Vergara, V. (2001): Comparison of parental roles in male and female Red Foxes, Vulpes vulpes, in southern Ontario. Canadian Field Naturalist, Vol. 115(1)
    Zabel, C.J. (1986): Reproductive Behavior of the Red Fox (Vulpes vulpes): A Longitudinal Study of an Island Population

09.06.2013

Meister Lampe auf dem Rückzug, Interview in 'Liebes Land'

In der eben erschienen Juni-Ausgabe von „Liebes Land“ gibt es neben weiteren Wildtierthemen auch den Auszug eines Interviews mit Lovis Kauertz von Wildtierschutz Deutschland. Lesen Sie nachfolgend das Basisgespräch dazu:

„Liebes Land: Die Zahl der Feldhasen geht immer mehr zurück. Was sind in Ihren Augen die Hauptursachen dafür?  Lovis Kauertz: Wir beobachten gerade in den letzten Jahren einen erneuten Schub hinsichtlich des Verlustes von Lebensraum für Feldhasen. Das gilt im Übrigen auch für Bodenbrüter wie zum Beispiel das Rebhuhn, den Kiebitz, die Feldlerche. Aufgrund geänderter Förderbedingungen der EU gibt es kaum noch Flächen, welche die Landwirtschaft nicht bearbeitet. Die Förderung erneuerbarer Energien führt zusätzlich zu enormen Lebensraumverlusten. Wo Mais gepflanzt wird, sterben die Artenvielfalt und der Hase.

Welchen Anteil haben natürliche Feinde und der nasskalte Winter? Mit nasskaltem Wetter im Frühjahr haben Junghasen, die ja ohne Höhle auf dem freien Feld aufwachsen, kaum eine Chance. Meist erfrieren sie dann. Die Auswirkung natürlicher Feinde auf den Bestand des Hasen wird häufig überbewertet. Der größte „natürliche“ Feind des gesunden Feldhasen ist der Autoverkehr. Jungtiere werden von Landmaschinen überfahren und von Greifvögeln gefunden, eher selten vom Fuchs. Letzterer erbeutet hauptsächlich Aas und kranke und reaktionsschwache Langohren. Die Starken überleben – wenn sie nicht erschossen werden.

Spielt die Jagd eine große Rolle bei diesem Problem?  Ja, der Bestand der Feldhasen ist in den vergangenen sechs Jahren dramatisch zurückgegangen. Der Jäger tötet gesunde, starke Hasen, die in dieser kritischen Bestandssituation für den Fortbestand der Art relevant sind. Der Gesetzgeber sollte die Hasenjagd bis auf weiteres unterbinden und nicht auf Lippenbekenntnisse vertrauen, die Hasen in bestimmten Regionen zu schonen.

Einige Experten sprechen auf von einem "natürlichen Rhythmus" und dass dem Rückgang in einigen Jahren eine Erholung folgen wird. Ist das realistisch? Natürlich hat es immer wieder Schwankungen bezüglich der Bestände gegeben.  Es gab aber noch nie so wenig Hasen in Deutschland wie in den letzten Jahren.  Wenn nicht schnell die landwirtschaftlichen Rahmenbedingungen geändert werden und der Hase weiterhin bejagt wird, wird es dem Feldhasen ergehen wie dem Rebhuhn. Man wird sie kaum noch zu Gesicht bekommen.

Bild: Liebes Land, Juni 2013

Wer ist für den Schutz der Feldhasen letztlich zuständig? Die Politik. In den Umwelt- und den Landwirtschaftsministerien des Bundes und der Länder müssen Anreize für die Landwirtschaft geschaffen werden, Lebensräume zu schaffen.  Hier liegt auch die Verantwortung für die Jagdgesetze.

Was braucht der Feldhase, um sich ungestört und gesund entwickeln zu können?  Feldraine, Hecken, Sträucher, Brachflächen und eine abwechslungsreiche Landwirtschaft. Damit wäre ihm viel geholfen, denn er benötigt vor allen Dingen Deckung und extensiv genutzte Flächen für seinen Nachwuchs und ein vielseitiges Gräser- und Kräuterangebot.

Was kann der Mensch tun, um dem Hasen wieder auf die Sprünge zu helfen? Lebensräume schaffen und nicht jagen.“


08.06.2013

Behörde: Nächtliche Kaninchenjagd während der Aufzuchtzeit ist "Eigenverantwortung" der Jäger

An diesem Wochenende veranstaltet die Jagdgenossenschaft des rheinhessischen Ockenheim im Landkreis Mainz-Bingen (Rheinland-Pfalz) eine „größere Kaninchenbejagung“.  Im lokalen Amtsblatt wird die Bevölkerung um Verständnis gebeten, da auch in den Abend- und Nachtstunden gejagt werde.
Wildtierschutz Deutschland hat hierzu bei der zuständigen Unteren Jagdbehörde in Ingelheim und der Oberen Jagdbehörde in Neustadt /Weinstraße nachgefragt. Schließlich findet diese Jagd während einer Zeit statt, in welcher viele Tiere noch ihrem Brutgeschäft oder der Aufzucht der Jungtiere nachgehen, so auch die Wildkaninchen.
Für Wildkaninchen gibt es keine Schonzeit

Bei der Unteren Jagdbehörde wird uns bestätigt, dass hierzu sogar eine Genehmigung zur Jagd mit Scheinwerfern und aus dem Fahrzeug heraus erteilt wurde. Alles entspreche den aktuellen Gesetzen und Jagdverordnungen, so auch die Obere Jagdbehörde. Auf unseren Einwand, dass es gerade in der Dämmerung und während der Nacht, auch unter Einsatz von Suchscheinwerfern,  nicht ausgeschlossen werden könne, dass Elterntiere, die noch zur Aufzucht ihrer Jungtiere erforderlich seien, getötet werden, hieß es lapidar „man vertraue auf die Eigenverantwortung der Jäger“.
Was hat es mit Eigenverantwortung zu tun, wenn der Jagdvorsteher während der Zeit, in welcher Jungtiere aufgezogen werden, zu einer groß angelegten Jagd aufruft? Wo ist die Eigenverantwortung der Jäger, wenn sie während der Brut- und Setzzeit großräumig des Nachts mit Scheinwerfern aus Kraftfahrzeugen heraus Kaninchen jagen und ganze Reviere beunruhigen. Ricken mit ihren Kitzen, Fuchsfamilien, Fasanen, vielleicht das letzte Rebhuhn?
Und was hat es mit der Verantwortung einer Behörde auf sich, die willfährig jedem Antragsteller zu jeder Zeit und in der Regel ohne weitere Prüfung die im Gesetz vorgesehene „Einzelfallerlaubnis“ zur Jagd aus dem Kraftfahrzeug und mit Scheinwerfer genehmigt? Warum traut sich die Behörde nicht, ihren Ermessensspielraum geltend zu machen und zumindest auf einen späteren Jagdtermin hinzuwirken. Dann, wenn man davon ausgehen kann, dass die Jungtiere selbständig ohne ihre Eltern zurechtkommen?
Jagdgesellschaft, Bild: Eilert Voß, wattenrat.de

Was alleine zählt, sind die Interessen der Landwirtschaft und der Jäger. Zumindest die der erstgenannten Gruppe könnten auch wesentlich früher oder später im Jahr bedient werden.  Eine Abwägung mit dem entstehenden Tierleid scheint grundsätzlich nicht stattzufinden. Unseres Erachtens gehen hier sowohl die Behörden als auch der Gesetzgeber – in diesem Fall das Land Rheinland-Pfalz – grob fahrlässig mit ihren eigenen Gesetzen um. Diese fordern nämlich auch die Schonung von Elterntieren, die für die Aufzucht ihrer Jungen erforderlich sind.
Durch die Genehmigung der Scheinwerferbejagung im Juni werden unseres Erachtens absehbare Verstöße gegen diese Gesetzesregelung stillschweigend geduldet – auch wenn sich die angesprochenen Institutionen mit der „Eigenverantwortung der Jäger“ herausreden.
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