27.11.2010

Zunehmende Kritik an Bewegungsjagden

In der auflagenstarken Jägerzeitschrift "Wild und Hund", Ausgabe 21/2010, bestätigt der Jäger Dieter Stahmann in einem Artikel über Tierethik schon früher auf dieser WebSite beschriebene tierschutzrelevante Sachverhalte im Zusammenhang mit Bewegungsjagden (Drückjagden, Treibjagden):

"Inzwischen gibt es aber Entwicklungen in der Jagd, die durchaus Ansätze zu weiterer Kritik bieten, etwa die Zunahme von Bewegungsjagden. Durch die eingesetzten Hunde flüchtet das Wild häufig in Panik. Dadurch wird die Möglichkeit für den Schützen, sicher anzusprechen und das Stück mit einem sauberen Schuss zu erlegen, erheblich gemindert. Diese Punkte beeinträchtigen durchaus das Wohlbefinden des Tieres im Sinne des Tierschutzes, da es so zum Erlegen von führenden Bachen und Alttieren kommen kann. Erstaunlicherweise haben Tierschützer die Bewegungsjagden bisher nicht angegriffen, offensichtlich, weil diese Jagden vom Naturschutz und ökologisch orientierten Förstern und Jägern propagiert werden."

Bereits im Editorial seiner ersten Ausgabe dieses Jahres spricht "Wild und Hund" im Zusammenhang mit Bewegungsjagden von "Totmacher" und "Schande".

In einem Sonderdruck "Wildbrethygiene" (Januar 2008) des Deutschen Landwirtschaftsverlages beschreibt der Verfasser Dipl.-Vet.Med Stefan Suhrke, dass Untersuchungen ergeben haben, dass bei Bewegungsjagden nur 25 - 30 % des Wildes durch Blattschuss erlegt werden. Im Umkehrschluss heißt das, dass über 70 % der Tiere auf Bewegungsjagden durch Anschüsse lediglich verletzt werden. Viele Jäger trauen sich in diesen Fällen nicht einmal, einen Anschuss ihren Jagdkollegen zu gestehen (siehe "Schlechte Schüsse - keiner will's gewesen sein", und Hegering Gerolstein) mit der Folge, dass eine Nachsuche nach dem verletzten Tier nicht stattfindet.

Bayerns Söder fordert Jagd auf den Biber

Anläßlich des Kreisbauerntages in Dachau fordert Bayerns Umweltminister die Jagd auf den Biber freizugeben (Pressemeldung). Werner Hupperich, der http://www.gaensewacht.de/ betreibt, kommentiert das wie folgt:
 
Mit "zufriedenen Landwirten" ist es in etwa wie mit dem sagenhaften Yeti. Wobei: Einen Yeti glaubt zumindest Reinhold Messner mal gesehen zu haben.. . Einem Bauern scheint nie etwas recht zu sein: Das Wetter zu nass, zu trocken, zu warm, zu... kalt etc. pp. . Zu viele Krähen, Gänse, Stare, Biber, Wühlmäuse, Wildschweine usw. usf. . Die Ernte bloß genauso hoch wie im Vorjahr, die Milchpreis so niedrig, dass man sie gleich in Jauchegruben füllt, der Weltmarktpreis für Weizen wegen der blöden ausländischen Konkurrenz ebenfalls im Keller und obendrein wird der Diesel für den Trecker auch immer teurer.. .

Was die ewig nölenden Bauern allerdings vergessen: Der Produktivitätszuwachs seit der 1950er Jahre in der Landwirtschaft liegt bei ~2000[!] Prozent, bei etwas geringerer Anbaufläche und einem Drittel an Personal. Klar gibt's auch Landwirte, welche zwar nicht am Hungertuch nagen, aber eben auch keine Reichtümer anzuhäufen vermögen. Das aber ist in nahezu allen Branchen ebenfalls so. Was den Biber angeht: Wer seinem Gewerbe unter freiem Himmel nachgeht, der muss eben auch den Faktor "Natur" in seine Produktionskosten einrechnen. Dazu gehören neben dem "Wetter" eben auch (wildlebende) "Tiere". Volkswirtschaftlich existenziell scheinen die "Problembiber" ja nicht zu sein. Oder gibt's in Deutschland bereits biberbedingte Hungertote zu beklagen?

26.11.2010

Schlechte Schüsse - keiner will's gewesen sein.

Im Internet-Forum Landlive tauschten sich Jäger gestern anlässlich einer Drückjagd wie folgt aus:

A: Das Beste heute war, die Treiber kamen beim Nachbarschützen (ebenfalls HS-Führer) vorbei und sagten ihm, sie hätten "Blut" gefunden, er ist gucken gegangen, hat dann den Hund geholt und ein Alttier, weidwund, noch lebend gefunden und ihm den Fangschuß gegeben, keiner will es beschossen haben.

B: Sowas ähnliches hatten wir heute auch: Überläufer mit Keulenschuss, der bereits krank (Anm. Red. krank-geschossen) an einem anderen Stand ankam und dort gestreckt werden konnte. Keiner war's?!? Am Ende sollte mit dem Hund der Anschuss ermittelt werden, um das Stück zuzuordnen. Ausgang dieser Aktion ist mir bis dato unbekannt.

Allerdings frage ich mich, was in Schützen so vorgeht. Bei einer Drückjagd passieren schlechte Schüsse und es passieren auch Fehlschüsse. Davor ist NIEMAND gefeit. Deswegen sind Nachsuchengespanne bereits von vornherein eingeladen - Vollprofis, die nichts anderes machen, als schlechte Schüsse wieder auszubügeln!

A: Vollprofis sind bei uns verdammt dünn gesät, vielleicht zwei im ganzen Landkreis. Klar ist keiner gefeit vor Fehl- und schlechten Schüssen, aber dazu stehen sollte man dann schon, es reißt einem ja auch keiner den Kopf ab. Morgen geht es wieder los, mal sehen, was diese Jagd bringt, die Wiesen um das morgige Waldgebiet sind schwarz........

20.11.2010

Die Totmacher vom Westerberg

Korrektur 20.11.2016
Auf dem Westerberg zwischen Ingelheim, Gau-Algesheim, Appenheim und Groß-Winternheim fand am 20.11. eine Drückjagd auf Schwarzwild (Wildschweine) statt. Die Drückjagd ist eine Bewegungsjagd, bei welcher meist ‚zig Treiber mit ihren Hunden das Wild aufscheuchen und den Jägern vor die Büchsen „drückt". Ziel war es, möglichst viele Wildschweine zu töten.

Durch den Einsatz der Treiber und von Hunden flüchtet das Wild häufig in Panik. Gezielte und tödliche Schüsse sind bei dieser Art Veranstaltung die Ausnahme. Nicht nur weil die Tiere hochflüchtig sind, sondern auch weil viele Jäger keine regelmäßige Schießpraxis haben und das Schießvermögen auch oft keiner Prüfung unterzogen wird. Untersuchungen sprechen davon, dass nur etwa 35 % der Tiere bei Bewegungsjagden mit dem ersten Schuss tödlich getroffen werden. Die meisten Tiere werden dagegen zunächst nur angeschossen und rennen mit zerschossenen Gliedmaßen oder zerfetztem Unterleib um ihr Leben. Eine unverzügliche Nachsuche, wie sie das Gesetz fordert, ist aufgrund des Organisationsablaufs einer Bewegungsjagd oft nicht möglich und führt dazu, dass Tiere entweder nach Stunden oder Tagen leidvoll verenden oder ihr weiteres Leben als Krüppel fristen.

Auch ist es dem Gesetz nach verboten, Wild jeder Art zu beunruhigen. Und das gilt auch für Jäger. Aber genau das passiert hier. Nicht nur Schwarzwild - alle Tiere des Waldes, ob Rehe mit ihren Kitzen (auch im Dezember noch!) oder Füchse werden unter erheblichen Stress gesetzt und geraten in Panik. (An-)geschossen wird oft alles, was nicht ausdrücklich ausgeschlossen wird. Nicht selten werden Jungtieren ihre Eltern weggeschossen.

Jagdopfer Wildschwein



























Wissenschaftler verweisen seit Jahren darauf . Anhand einer im renommierten "Journal of Animal Ecology" veröffentlichten Langzeitstudie (2009, S.1278-1290), die auf zahlreiche weitere universitäre Arbeiten und Untersuchungen Bezug nimmt, ist wissenschaftlich erwiesen, dass der hohe Jagddruck hauptverantwortlich für die hohe Wildschweinpopulation ist. Je mehr Jagd auf Wildschweine gemacht wird, insbesondere auf erfahrene Bachen, um so stärker vermehren sie sich.

16.11.2010

Jedes Kind weiß, dass Jäger lügen

Auszugsweise Zitate aus dem 26- Seitigen Memorandum "Damit keiner mehr sagen kann er hätte es nicht gewußt" des Sebastian Freiherr von Rotenhan
  • Jagenden Zahnärzten und Rechtsanwälten ist nicht übel zu nehmen, wenn Sie als Gegenleistung für die zum Teil horrenden Jagdpachten uferlos hohe Schalenwildbestände erwarten, wobei sich allerdings die Frage stellt, warum solche Leute überhaupt auf unser Wild losgelassen werden.
  • Das von der organisierten Jägerschaft in Anspruch genommene Motto, Jagd sei angewandter Naturschutz, ist eine ungeheuerliche Beschönigung dessen, was in unseren Wäldern tagein tagaus stattfindet.
  • Die Hegeideologie, die der Öffentlichkeit einen behutsamen Umgang mit dem Wild vorgaukeln soll, in Wahrheit aber nichts anderes ist als gezielte Trophäenzucht, bewirkt das genaue Gegenteil.
  • Jedes Kind weiß, dass Jäger lügen. Das Jägerlatein ist sprichwörtlich. So will man einer uninformierten Öffentlichkeit weiß machen, Schäden im Wald ließen sich verhindern, wenn man das Wild nur ordentlich fütterte. Hierbei lässt man nichts unversucht und alljährlich werden für riesige Summen Futtermittel gekauft und in die Wälder gefahren, was letztendlich zu einer Domestizierung des Wildes führt, aber das will man offenbar. Als ob das Wild einer künstlichen Fütterung bedürfe !
Bild: www.andersfotografiert.com

  • In Jahrmillionen der Evolution ging es auch ohne. Der Wald hat für einen bemessenen Wildbestand immer genug zu fressen. Dass der Bestand nicht ausuferte, dafür sorgten früher Wolf und Luchs (kritisch sieht diese Aussage unser Wildtierexperte Emberger: "Mehr Wölfe - weniger Rehe?")
    Diese aber hat man ausgerottet und seither hat das Wild keine natürlichen Feinde mehr, sondern nur den unnatürlichen Freund in Form des Sonntagsjägers (in der Lausitz gibt es erfreulicher Weise wieder einige Wölfe. Unter Führung eines westdeutschen Jägers wurde allerdings inzwischen ein Verein gegründet, dessen einziges Ziel es ist, dafür zu sorgen, dass sie totgeschossen werden dürfen !!).Der Sonntagsjäger geht wohl gelegentlich zur Jagd, aber er schießt nicht, auf jeden Fall zu wenig, dafür züchtet er Trophäen und erst wenn diese seinen züchterischen Vorstellungen entsprechen, greift er zur Büchse, um in „voller Verantwortung vor der Schöpfung Gottes den König der Wälder schweren Herzens der Wildbahn zu entnehmen ".So ähnlich liest sich das, wenn vor Waidgerechtigkeit triefende Jagdgenossen zur Feder greifen, um sich in einer der schrecklichen Jagdzeitschriften zu verbreitern.
  • Die Fütterung dient bei den männlichen Tieren der Produktion von starken Trophäen, denn sie ist eine künstliche Energiezufuhr, die eine Vergrößerung des sekundären Geschlechtsmerkmales Geweih zur Folge hat. Bei den weiblichen Tieren resultiert sie in eine erhöhte Reproduktion. Rehe gebähren statt einem Jungtier zwei oder drei Kitze, wie die Jäger die Rehkinder nennen. Ich nenne die Arbeit mit dem Kulturzaun „Gefängnisforstwirschaft". Stabile Wälder dürfen nur „hinter Gittern" wachsen. Man hat sich vielerorts derart an diese Zäune gewöhnt, dass sie vom Bürger schon als normal angesehen werden.

Sebastian Freiherr von Rotenhan, Jahrgang 1949,ist Waldbesitzer im fränkischen Rentweinsdorf, im sächsischen Hohenstein-Ernstthal und im südbrandenburgischen Reuthen. Von 1989 – 2001 war er Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft (ANW). Seit 1998 vertritt er für die CSU den Stimmkreis Hassberge-Rhön-Grabfeld im Bayerischen Landtag.




  

15.11.2010

Über Fuchsrüden, ihre Rolle bei der Welpenaufzucht und §22 Absatz 4 des Bundesjagdgesetzes

von Dag Frommhold
Füchse haben in den meisten Bundesländern keine Schonzeit und dürfen das ganze Jahr über geschossen oder in Fallen gefangen werden. Lediglich Elterntiere genießen den Schutz von §22 Absatz 4 des Bundesjagdgesetzes, der sie so lange vor Nachstellungen bewahren soll, wie sie für die Aufzucht des Nachwuchses notwendig sind. Dadurch soll verhindert werden, dass Jungtiere, die allein auf sich gestellt noch nicht überlebensfähig wären, durch Unterkühlung, Verhungern oder Verdursten zu Tode kommen. 

Keine Schonung für Fuchsväter?
Nach gängiger Auslegung gelten dabei lediglich die Mütter noch unselbstständiger Jungfüchse als „notwendig" für die Welpenaufzucht, nicht jedoch die Fuchsrüden. Ein Jäger, der zwischen März und Juli einen Fuchs töten will, muss also zumindest das Geschlecht des betreffenden Tiers vor dem Schuss identifizieren. Da dies in der Praxis nur sehr selten zuverlässig möglich ist, dürfte die Anzahl „versehentlich" erschossener säugender Füchsinnen beträchtlich sein – bei weitem nicht alle Jäger lassen den Finger gerade, wenn sie in der Zeit der Jungenaufzucht einem Fuchs begegnen. Außerdem ist es durchaus üblich, erst die Fuchswelpen am Bau zu töten, um dann ihre Mutter zu erschießen – mit dem Argument, dass die Füchsin nun ja nicht mehr für die Aufzucht notwendig sei. Dieser Versuch, die Regelungen des §22 Absatz 4 zu umgehen, ist jedoch keineswegs gesetzeskonform, wie Lorz, Metzger und Stöckel in ihrem Kommentar zum Bundesjagdgesetz erläutern1. Ein Jäger, der dies tut, macht sich also strafbar und sollte umgehend angezeigt werden.

All diesen Regelungen liegt die Annahme zugrunde, Fuchsväter würden keinen signifikanten Beitrag zur Aufzucht der Jungfüchse leisten. Tatsächlich vertreten die Autoren verbreiteter Jagdlehrbücher die Ansicht, dass die Rüden sich nach der Paarung rasch wieder zurückziehen und kein weiteres Interesse an Ihrem Nachwuchs zeigen2. In der Jägerschaft scheint diese These auch heute noch zu dominieren, sofern man verschiedene öffentliche Diskussionen im Internet als Gradmesser dafür heranzieht3. Wer daran Zweifel äußert – wie etwa Klaus Maylein, Vorsitzender der „alternativen" Jäger vom ÖJV Baden-Württemberg – muss damit rechnen, von seinen Weidgenossen heftig angegriffen und bisweilen auch beleidigt zu werden4.

Die Mär vom "Rabenvater Fuchs"
Interessant ist die Vehemenz, mit der die Beteiligung des Rüden an der Welpenaufzucht bestritten wird. Wirft man nämlich einen Blick in die wissenschaftliche und populärwissenschaftliche Literatur, die in den letzten 25 Jahren zum Sozialverhalten des Fuchses publiziert wurde, so kommt man zu einem gänzlich anderen Ergebnis. Biologen, die sich mit dem Fuchs beschäftigen, konstatieren mit beeindruckender Einhelligkeit, dass Fuchsrüden sich aktiv an der Aufzucht ihres Nachwuchses beteiligen. Die Hauptaufgabe der Rüden ist dabei die Versorgung der durch Schwangerschaft und Geburt geschwächten Fähe sowie ihrer Welpen mit Nahrung (siehe z.B.5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14). Zusätzlich hält er Wache und beschützt seine Familie vor Konkurrenten und Feinden15, 16. Bisweilen wird auch berichtet, dass Rüden mit ihren Welpen spielen17. Wo beide Elternteile noch am Leben sind, trägt der Fuchsrüde den Welpen im übrigen sogar mehr Nahrung zu als die Fähe, die ihrerseits dagegen viel Zeit in Baunähe verbringt und die Jungfüchse säugt, Fellpflege betreibt, oder mit ihnen spielt18. Alles in allem dürfte es in der wissenschaftlichen Literatur zu wenigen Aspekten des überaus komplexen und flexiblen füchsischen Sozialverhaltens einen so klaren Konsens geben wie zu der Frage, ob Fuchsrüden sich an der Jungenaufzucht beteiligen.

Natürlich ergibt sich aus der dargelegten Rolle des Fuchsvaters bei der Welpenaufzucht nicht zwingend, dass sein Einsatz für die Jungfüchse überlebenswichtig wäre. Allerdings beschrieb der angesehene Biologe und Fuchsexperte J. D. Henry schon 1986, dass bei Überleben beider Elternteile die Füchsin die ersten 10 bis 14 Tage nach der Geburt der Welpen im Bau bleibt und sich vom Rüden mit Nahrung versorgen lässt19. In einer späteren Publikation führt Henry aus, dass die Fähen in einigen der von ihm untersuchten Gebiete in dieser Zeit vollständig vom Jagderfolg des Rüden abhängig sind20. Auch die Schweizer Biologen Gloor, Bontadina und Hegglin bestätigen anhand ihrer Untersuchungen im Großraum Zürich, dass die Füchsin nach der Geburt der Welpen vom Rüden versorgt wird und in dieser Zeit den Bau kaum verlässt21. Sie darf die neugeborenen Jungfüchse nicht für längere Zeit allein lassen, weil diese ihre Körpertemperatur noch nicht selbstständig aufrechterhalten können22. Das Fehlen des Fuchsrüden als „Versorger" in dieser Phase hat also zwangsläufig gravierende Auswirkungen auf die Nahrungsversorgung der Fähe in der Zeit nach der Geburt und damit auch auf die Versorgung der Fuchswelpen mit überlebenswichtigen Nährstoffen.

Folgerichtig stellte die kanadische Biologin Valeria Vergara in einer Studie zur Vaterrolle des Fuchsrüden fest, dass der Reproduktionserfolg deutlich höher ist, wenn beide Elternteile den Nachwuchs gemeinsam aufziehen, als wenn die Fähe dabei auf sich allein gestellt ist23. Der deutsche Biologe Felix Labhardt führt in seiner 1990 veröffentlichten Fuchsmonographie „Der Rotfuchs" aus, dass „die Betreuung durch beide Elternteile die Überlebenschance der Welpen erhöht"24. Seine Kollegin Zabel beobachtete in den 1980er Jahren im Rahmen von Forschungsarbeiten zum Fortpflanzungsverhalten des Rotfuchses elf Fuchsfamilien. Nur eine der betreffenden Füchsinnen musste ihren Nachwuchs ohne Hilfe eines Rüden großziehen, und sie war die einzige, von deren Welpen kein einziger das erste Lebensjahr überstand. Neben der schlechteren Nahrungsversorgung waren vor allem Störungen durch rivalisierende Füchse dafür verantwortlich25 – ein eindeutiges Indiz dafür, dass auch das Wach- und Verteidigungsverhalten der Fuchsväter für das Überleben der Jungtiere von erheblicher Bedeutung ist.

Fuchsjagd von Januar bis August - ein Verstoß gegen das Bundesjagdgesetz?
Diese Forschungsergebnisse legen nahe, dass Jahr für Jahr ein erheblicher Teil der Fuchswelpen zu Tode kommt, weil ihr Vater von einem Jäger getötet wurde. Damit verstieße auch die Tötung der Fuchsrüden zur Zeit der Jungenaufzucht gegen §22 Absatz 4 des Bundesjagdgesetzes, weil sie für das Überleben der Jungfüchse notwendig sind. Hält man in Jagdkreisen vielleicht deswegen so krampfhaft an der Hypothese vom „Rabenvater Fuchs" fest, weil man fürchtet, ansonsten eine jagdliche Büchse der Pandora zu öffnen?

Tatsächlich hätte die Anerkennung der Vaterrolle von Fuchsrüden weitreichendere Konsequenzen, als auf den ersten Blick offenkundig ist. Die Zeit der intensivsten Fuchsbejagung fällt nämlich in die Monate Dezember bis Februar. Hauptgrund dafür dürfte heutzutage keinesfalls mehr der „reife Winterbalg" der Füchse sein (die meisten getöteten Füchse werden mit Haut und Haar kurzerhand in Tierkörperbeseitigungsanlagen entsorgt), sondern die Tatsache, dass die Paarungszeit auf genau diese Monate fällt. In der so genannten „Ranz" sind die sonst überaus vorsichtigen Füchse oft auch tagsüber unterwegs; durch weit hörbares, heiseres Bellen halten sie miteinander Kontakt, und ihre scharfen Sinne beschäftigen sich mehr mit dem anderen Geschlecht als mit dem lauernden Jäger. Hinzu kommt, dass der Schnee in diesen Monaten die Füchse und ihre Spuren besser sichtbar macht. Den Höhepunkt erreicht die Fuchsjagd in den Monaten Januar und Februar mit den vielerorts stattfindenden revierübergreifenden „Fuchswochen", bei denen unter Zuhilfenahme vieler revierloser Jäger innerhalb weniger Tage Dutzende, in einigen Fällen sogar über hundert Füchse getötet werden. Zwischen Rüden und Fähen wird beim Abschuss kein Unterschied gemacht.

Allerdings ist davon auszugehen, dass gerade zur Zeit dieser „Fuchswochen" ein Großteil der Fähen bereits schwanger ist. Die überlebenden Füchsinnen bringen nach einer Tragzeit von 50 bis 54 Tagen ihre Welpen zur Welt. Da durch den hohen Jagddruck im Januar und Februar jedoch viele der zu diesen Fuchsfamilien gehörenden Rüden zu Tode gekommen sind, stehen diese nicht mehr für die Jungenaufzucht zur Verfügung. Es genügt also keinesfalls, Fuchsrüden – gemeinsam mit den Füchsinnen – mit der Geburt der Welpen von der Bejagung auszunehmen; vielmehr müsste dieses Bejagungsverbot konsequenterweise bereits in der Paarungszeit beginnen.



Fähe säugt Welpen - Bild: Helmut Sütsch, Fuchsfilm.de

Eine Unterscheidung von Füchsen hinsichtlich ihres Geschlechts ist auf die Distanz äußerst schwierig, sofern man die Tiere nicht gerade bei der Reviermarkierung oder ähnlichen „verräterischen" Tätigkeiten beobachten kann26. Das gilt erst recht, wenn – wie bei der Baujagd oder bei Treibjagden üblich – auf fliehende Tiere geschossen wird. Konsequenterweise müsste ein Bejagungsverbot also sowohl Rüden als auch Fähen einschließen und bereits im Januar einsetzen, um die Tötung für die Welpenaufzucht notwendiger Elterntiere auszuschließen.
Aktuelle Schonzeitregelungen: Jägerwillkür
Bislang haben immerhin zwei Bundesländer – Berlin und vor kurzem auch das Saarland – erkannt, dass eine umfassende Schonzeit für Füchse längst überfällig ist. In Berlin ruht die Jagd auf erwachsene Füchse von Februar bis Oktober, während Jungfüchsen von Februar bis April nicht nachgestellt werden darf; im Saarland wurde eine sechsmonatige Schonzeit mit Beginn im Februar eingeführt. Die Regelungen in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen (dreimonatige Schonzeit für Altfüchse ab März) sowie Schleswig-Holstein (viermonatige Schonzeit für Altfüchse ab April) greifen indes viel zu kurz, weil sie zum einen die Tötung der Fuchsrüden in der Paarungszeit nicht verhindern, und zum anderen die Welpen am Ende der Schonzeit im Juni noch keineswegs selbständig sind. Eine Geburt Mitte April vorausgesetzt, wären die Jungfüchse zum Ende der Schonzeit gerade einmal zwei Monate alt. Bedenkt man, dass die Fähe sie mindestens acht Wochen lang säugt und die Welpen erst mit drei bis vier Monaten beginnen, selber kleine Tiere wie etwa Insekten zu erbeuten, erscheint ein derart frühes Ende der Jagdruhe vollkommen unverständlich.

Noch absurder stellt sich die Situation dort dar, wo keine explizite Schonzeit für Füchse festgelegt ist: In den Kommentaren zum Bundesjagdgesetz wird als „Brut- und Setzzeit", während derer die für die Welpenaufzucht erforderlichen Elterntiere geschützt sind, der Zeitraum vom 01.03. bis zum 15.07. genannt. Schonzeitenverzeichnisse für Baden-Württemberg, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern betrachten jedoch lediglich die Frist vom 01.05. bis zum 15.06. als Brut- und Setzzeit27. Die erste Zeit nach der Geburt der Welpen sowie mehrere Wochen vor dem eigentlichen Selbständigwerden der Jungfüchse wäre demnach auch die Tötung der Fuchsmutter zulässig – mit der Konsequenz, dass tausendfach hilflose Fuchswelpen qualvoll zu Tode kommen.

Zu erklären sind die aktuell gültigen Jagdzeitenregelungen nur mit der massiven politischen Einflussnahme der Jagdfunktionäre, die vehement an ihren überholten Stammtischthesen festhalten. Offensichtlich will man dem Fuchs, einem vielen Jägern verhassten Beutekonkurrenten, nicht einmal Gelegenheit bieten, seinen Nachwuchs ungestört großzuziehen. Folgt man dagegen dem Anspruch von §22 Absatz 4 des Bundesjagdgesetzes, so wäre eine Schonzeit für Füchse, die zumindest von Anfang Januar bis Ende August reicht, obligatorisch.

Es wird höchste Zeit, dass unsere Bundesländer ihre Jagdzeitenverordnungen an biologische Realitäten anpassen. Die zuständigen Politiker müssen sich dabei durchaus die Frage gefallen lassen, warum sie noch immer das in Jagdmagazinen kolportierte Halb- und Unwissen über vielfach belegte wissenschaftliche Erkenntnisse stellen. Die Mär vom Fuchsrüden als „Rabenvater" ist jedenfalls seit geraumer Zeit als antiquiertes Jägerlatein entlarvt.

11.11.2010

Landwirtschaftsministerien von Köberle, Brunner, Puttrich & Co. rufen zum Rechtsbruch auf


Die Jagdausübung ist in Deutschland durch das Bundesjagdgesetz und die Landesjagdgesetze geregelt. Einfluss auf die Jagd haben weitere Gesetze wie das Waffengesetz, Naturschutzgesetze und das Tierschutzgesetz. Übergeordnet ist das deutsche Grundgesetz - unsere Verfassung -, welche beispielsweise dem Schutz der Tiere oder des Eigentums entsprechend hohe Gewichtung beimisst.

Gemacht werden diese Gesetze durch den Bund bzw. die Länder, welche gemeinsam mit untergeordneten Behörden im Rahmen der so genannten "Amtsträger-Garantenstellung" eine "Wächterfunktion" zukommt. Das heißt, dass z.B. im Rahmen der Jagdausübung den Landwirtschaftsministerien und untergeordneten Jagdbehörden die Schutzpflicht obliegt, dass kein jagdrechtliches Fehlverhalten propagiert wird und die bestehenden jagd- und tierschutzrechtlichen Vorschriften eingehalten werden.

Aber was ist davon zu halten, wenn die Ministerien dieser Verpflichtung nicht nur nicht nachkommen, sondern - es ist kaum zu glauben - zum Rechtsbruch gegen die eigenen Gesetze aufrufen?

Beispiel: Baden-Württemberg. In seiner 10-Punkte-Empfehlung zur Schwarzwildbejagung ruft das Landwirtschaftsministerium dazu auf Wildschweine ganzjährig, großflächig, intensiv und revierübergreifend zu bejagen. Auch Bachen seien kein Tabu.


Bild: Michael Gäbler
Dazu Rechtsanwalt Storr, der in Vertretung von PETA Deutschland e.V, des Arbeitskreises humaner Tierschutz e.V. und weiteren Organisationen die Landwirtschaftsministerien auffordert, revierübergreifende Bewegungsjagden sofort einzustellen: "Die von den Ministerien propagierte revierübergreifende Jagdausübung entbehrt jedweder Gesetzesgrundlage. Verantwortliche Behördenleiter in den Ministerien und Jagdbehörden machen sich strafbar, wenn sie diese illegale Jagdmethode nicht sofort unterbinden". In seinem Schreiben an die Landwirtschaftsminister weist Storr darauf hin, dass per Bundesjagdgesetz nicht nur die revierübergreifende Jagdausübung verboten ist, sondern dass das Bundesjagdgesetz es auch verbietet, Wild jeder Art zu beunruhigen.

Das genau das passiert, kann man sich gut vorstellen, wenn man sich die alljährlich Mitte November im Badischen bei Müllheim stattfindende Blauenjagd vor Augen führt. Diese revierübergreifende Bewegungsjagd findet über einen Zeitraum von ca. 3 Stunden mit insgesamt 180 bewaffneten Jägern und einer ungezählten Horde von Treibern statt.

Ein solches "Wildschweinmassaker" ist auch tierschutzrechtlich nicht tragbar. Diese Meinung vertreten zunehmend auch Kritiker aus den Reihen der Jäger.

Durch den Einsatz der Treiber und von Hunden flüchtet das Wild in Panik. Gezielte und tödliche Schüsse sind bei dieser Art Veranstaltung die Ausnahme. Die meisten Tiere werden dagegen zunächst nur angeschossen, rennen mit zerschossenen Gliedmaßen oder zerfetztem Unterleib um ihr Leben. Eine unverzügliche Nachsuche, wie sie das Gesetz ebenfalls fordert, ist aufgrund des Organisationsablaufs einer Bewegungsjagd oft nicht möglich und führt dazu, dass Tiere entweder nach Stunden oder Tagen leidvoll verenden oder ihr weiteres Leben als Krüppel fristen.

Aber die revierübergreifende Jagd auf Wildschweine ist nicht nur rechtswidrig, sie ist im Hinblick auf die Bestandsregulierung auch kontraproduktiv. Darauf verweisen Wissenschaftler seit Jahren. Anhand einer im renommierten "Journal of Animal Ecology" veröffentlichten Langzeitstudie (2009, S.1278-1290), die auf zahlreiche weitere universitäre Arbeiten und Untersuchungen Bezug nimmt, ist wissenschaftlich erwiesen, dass der hohe Jagddruck hauptverantwortlich für die hohe Wildschweinpopulation ist. Je mehr Jagd auf Wildschweine gemacht wird, insbesondere auf erfahrene Bachen, um so stärker vermehren sie sich.

Diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen verschließen sich die zuständigen Ministerien jedoch vollends. Stattdessen beziehen sich viele Ministerien, deren für den Bereich Jagd zuständige Abteilungen meist von Jägern geleitet werden, auf unwissenschaftliche Aussagen von jagenden Wildbiologen.

Die Front gegen die Jagd wird zunehmend größer - noch sind es kleine Oppositionsparteien, Splitterparteien, Natur- und Tierschutzorganisationen und vor allen Dingen Wissenschaftler, die sich gegen den Jagdwahn wenden, der jedes Jahr nach Schätzungen der Tierschutzinitiative JagdAberFair inklusive einer Dunkelziffer etwa 10 Millionen Tieren das Leben kostet. Im Internet, auf Plattformen wie Twitter oder Facebook organisieren sich Menschen zu Solidaritätsbekundungen und zu Aktionen. Umfragen zufolge lehnt eine Mehrheit der Deutschen die Jagd oder bestimmte Jagdmethoden ab.

Siehe auch: Bayerisches Landwirtschaftsministerium billigt Verstöße gegen das Jagdrecht

10.11.2010

Strategie - ein Aphorismus aus "Fluch der Geburt"

von Dr. Gunther Bleibohm
S t r a t e g i e. -  Ein bewährter Lösungsansatz des Staates für abweichende Meinungen von Minderheiten geht nach einem ausgeklügelten und bewährtem Algorithmus vor, der  in aller Kürze folgende markanten Stationen anläuft.

Werden Ansichten vertreten, die sich jenseits der jeweiligen Parteidogmen befinden, welche das gläubige Mitglied pflichtgetreu und unreflektiert nachplappern soll und dies auch in der Regel tut, beginnt als erstes die Phase der staatlich-behördlichen Ignoranz, gekennzeichnet durch Schweigen, Resonanzlosigkeit und Aussitzen.

Diese Phase basiert auf dem Vertrauen, dass sich Meinungs-abweichler durch Nichtbeachtung entmutigen lassen, was tatsächlich in den meisten Fällen auch zum Erfolg führt. Der Erfolg tritt umso schneller ein, je mehr sich auch die um Regierungs-Wohlwollen buhlenden Medien des Themas entziehen.

Nun gibt es allerdings Vertreter von Standpunkten, die sich nicht mit purer Ignoranz abspeisen lassen, also aus Regierungssicht aufsässig sind und lästig werden, so dass man im Algorithmus zur zweiten Stufe gelangt. Man beginnt mit einem stupides Wiederholen von Regierungs-positionen als vermeintliches Mittel, einer Lüge den Atem einer unumstößlichen Wahrheit und tiefen Weisheit einzuhauchen. Im Gegenzug wird rundweg die Falschheit der vorgetragenen Gegenargumente behauptet, gegebenenfalls mit abhängigen und linientreuen Gutachtern flankiert und in schweren Fällen die regierungsfreundliche Presse um Schützenhilfe für  Diffamierungen gebeten. Eine Variante zur Problementsorgung stellen „verfassungsrechtliche Bedenken" dar, die bekanntermaßen in den nächsten zwanzig bis zweihundert Jahren nicht geprüft und ausgeräumt, geschweige denn entschieden werden können.


Den Wechsel zwischen Ignoranz, Totschweigen, manipulierten Gegenbehauptungen, Diffamierungen und juristischen Bedenken wendet man vorwiegend auf diejenigen Fälle an, denen man regierungs- und behördenseitig weder ethisch-moralisch noch logisch-faktisch auf Dauer argumentativ standhalten kann. Man ahnt oder weiß gar, dass die Gegenseite recht hat, will dieses Recht aber aus Gründen der Machterhaltung nicht zugestehen. Profitable Netzwerke, persönliche Verbindungen und Vorteile sind an die verteidigten falschen Ansichten gebunden – ein engmaschiges Schleppnetz aus Lüge, Abhängigkeit und Profit droht sonst zu zerreißen.

Das geschilderte Vorgehen zwingt nun aber die Gruppe, die moralisch und faktisch auf der Seite der Erkenntnis und Wahrheit streitet, immer heftiger, lauter und intensiver ihr Recht einzufordern. Man insistiert, deckt Lüge und Abhängigkeiten auf – und läuft in die Falle der staatlichen Machterhaltungsmaschinerie.
Heftiges Insistieren, Widersprechen, Bloßstellen wird als Zeichen von Uneinsichtigkeit, als Zeichen von Querulantentum und Fanatismus bewusst solange falsch interpretiert, bis der staatliche Machtapparat meint, extremistische Tendenzen erkennen zu können.

An dieser Stelle kommt der Lösungsalgorithmus mit der dritten Phase  zum offiziellen Ende. Mit Extremisten kann man nicht reden, braucht man nicht zu reden, Extremisten sind Fälle für die Justiz, da außerhalb demokratischer Unterwerfungsgewohnheit. Das leidige Problem, mit dem man sich nicht auseinandersetzen wollte oder konnte, ist vom Tisch, man kann zur Totenstille der Meinungsdiktatur zurückkehren, business as usual.

Fazit: Wer mit Ethik und Moral den Staat, die Regierung und Behörde in argumentative Verlegenheit und Ratlosigkeit treibt, ist Fanatiker, ist Extremist, ist persona non grata für diejenigen, die sich aus Ethik und dem Ringen um Erkenntnis verabschiedet haben. Die intellektuelle Elite freier Denker eines Volkes wird durch die idiotisierte Diktatur der Profitdemokratie füsiliert, der Ameisenstaat der Scheindemokraten hat vermeintlich  gesiegt.

"Fluch der Geburt" von Dr. Gunter Bleibohm (pro iure animalis) erscheint in Kürze. Einen weiteren Auszug aus dem Buch finden Sie hier: Jagdkultur

08.11.2010

Wir wollen nur Ihr Bestes - und das für die Tiere

Bei der Jagd liegt vieles im Argen. Nach der offiziellen Jagdstatistik sterben jedes Jahr über 5 Millionen Wildtiere durch Jägerhand, durch ihre Waffen und durch Fallen; dazu 'zig Tausende von Hunden und Katzen. Die Dunkelziffer ist noch einmal so groß und umfasst Tiere, die statistisch nicht erfasst werden, die angeschossen im Gelände zugrunde gehen, die sich aufgrund der Verwendung von Bleimunition über ihre Nahrung vergiften oder im Rahmen der Jagdhunde-ausbildung "verbraucht" werden. Etliche Hundert Jäger und Unbeteiligte werden außerdem durch Schusswaffen verletzt , etwa weitere 40 Menschen werden erschossen.

Ein gutes Dutzend dem Tierschutz verpflichete Organisationen und Initiativen kümmert sich zum Teil seit Jahren um Öffentlichkeit für dieses Thema und widerlegt die vermeintliche Argumentation der Jäger und ihres größten Dachverbandes, des Deutschen Jagdschutz-Verbandes (DJV) zur Notwendigkeit der Jagd Punkt für Punkt. Jagdmethoden und die etwa 100 Tierarten umfassende Liste der jagdbaren Tiere, darunter Arten, die auf der Roten Liste gefährdeter Tierarten stehen, sind dabei selbst in Jagdkreisen heftig umstritten. Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass sich die Natur, die Wälder und der Bestand der meisten Tierarten ohne die Jagd von selber regulieren würde. Das was heute als Jagd bezeichnet wird ist zum großen Teil reine Spaßjagd, welche den Tieren erhebliches Leid zufügt - und der Volkswirtschaft einen Milliarden-Schaden, für den letztlich der Bürger über Steuern und (Kfz-)Versicherungen aufkommt.

Die Jagd und ihre Regeln sind veraltet und stammen aus einer Zeit, die nicht mehr unsere Zeit ist. Seit 2002 ist der Tierschutz im Grundgesetz verankert - demnach hat der Staat hat die Pflicht, die Tiere zu schützen. Solange aber der Staat und seine Organe dieser Verpflichtung nur schleppend nachkommen, sehen Initiativen wie JagdAberFair, der Arbeitskreis Tierschutz, Pro Iure Animalis und weitere Organisationen sich in der Pflicht für dieses Ziel zu kämpfen.

Als wirksame Maßnahme erweist sich neben der Öffentlichkeitsarbeit mehr und mehr der Einsatz von  Rechtsmitteln. Nachdem der Europäische Gerichtshof bereits für Frankreich und für Luxemburg entschieden hat, dass die Zwangsmitgliedschaft von Grundeigentümern in Jagdgenossenschaften nicht rechtens ist, erwartet sich der Arbeitskreis für humanen Tierschutz e.V. die gleiche Entscheidung für die anhängende deutschen Beschwerde. Das wiederum könnte den Beginn vom Ende der Jagd bedeuten, denn das gesamte deutsche Jagdgebäude fußt auf dem sogenannten Reviersystem, welches mit der Entscheidung aus Straßburg zerschlagen werden könnte.

Aktuell bereitet Rechtsanwalt Dominik Storr im Auftrag verschiedener Organisationen, darunter auch PETA Deutschland, rechtliche Schritte gegen revierübergreifende Jagden vor, die  - obwohl sie tierschutzwidrig sind und eindeutig gegen geltendes Recht verstoßen -  von für Jagd zuständigen Ministerien und Behörden in vielen Bundesländern von Revierpächtern gefordert werden.

Mitarbeiter vieler Tierschutz-Initiativen engagieren sich ehrenamtlich in ihrer Freizeit neben ihrer Berufstätigkeit unentgeltlich für den Schutz von Tieren. Das tun sie in Form von Öffentlichkeitsarbeit oder aktiv vor Ort im Rahmen von Events, Veranstaltungen, Tiervermittlung und vielen anderen Aktivitäten. Aber nicht alles kann durch die Ehrenamtlichen gestemmt werden - die Vorbereitung und Durchführung von rechtlichen Auseinandersetzungen und die Wahrnehmung von Gerichtsterminen sind sehr teuer. Deshalb werden nun dringend Spenden benötigt. Der kleinste Beitrag zählt und hilft, Wildtieren ein friedlicheres Leben zu ermöglichen.

Dafür haben beteiligte Organisationen und Initiativen nun ein zentrales Spendenkonto beim Arbeitskreis für humanen Tierschutz e.V. eingerichtet. Alle eingehenden Spenden werden für die Durchsetzung von Rechten gegen die Jagd eingesetzt. Informationen zum Spendenkonto finden Sie hier in der Rubrik "So können Sie helfen" .

04.11.2010

Bayerisches Landwirtschaftsministerium billigt Verstöße gegen das Jagdrecht

von Dominik Storr
Der bayerische Landwirtschaftsminister Brunner bezeichnet die Wildschweinzunahme als „dramatisch" und plädiert für "mehr revierübergreifende Jagden, bei denen auch Hunde und Treiber zum Einsatz kommen sollen" (ddp, 23.11.2009).

Maßnahmen der Wildschweinbejagung sind nicht vom Jagdrecht gedeckt
Doch sind im Freistaat revierübergreifende Jagden überhaupt zulässig? Nein, nach der gegenwärtigen Gesetzeslage in Bayern sind sie das nicht. In der Bundesrepublik Deutschland gilt das Reviersystem, d.h. die Bejagung wird innerhalb eines Reviers vorgenommen. Für revierübergreifende Jagden gibt es keine Gesetzesgrundlage. Folgerichtig hat z.B. der Gesetzgeber in Rheinland-Pfalz sein Jagdgesetz geändert und darin ausdrücklich aufgenommen, dass Hegegemeinschaften auch "jagdbezirksübergreifende Bejagungen" durchführen können. Zwar gibt es in Bayern auch Hegegemeinschaften, doch sieht das bayerische Jagdrecht noch vor, dass diese nur Hegemaßnahmen durchführen dürfen. Da das deutsche Jagdrecht zwischen Hege und Jagdausübung unterscheidet, bedarf die Durchführung von revierübergreifenden Treib- und Drückjagden – so wie in Rheinland-Pfalz geschehen – einer Änderung des Landesjagdgesetzes. Doch dies ist in Bayern noch nicht geschehen. Die revierübergreifenden Jagden, für die der Landwirtschaftsminister plädiert, sind somit – völlig eindeutig – rechtswidrig.
 
Wildschwein, lat. Sus Scrofa
„Das ist ein Fall für die Staats-anwalt-schaft", kritisiert Rechts-anwalt Dominik Storr die rechts-widrige Jagd-praxis des Bayerischen Landwirtschaftsministeriums, das gleichzeitig die höchste Jagdbehörde in Bayern ist, scharf. „Wenn Hundertschaften von Jägern illegale Jagden durchführen, in deren Zuge Spaziergänger und Autofahrer stark gefährdet und Tiere völlig unnötig gehetzt und gequält werden, dann sprengt das den Rechtsstaat", so der Anwalt. Rechtsanwalt Storr wurde unter anderem von Peta Deutschland e.V. beauftragt, gegen die illegale Bejagung des Schwarzwildes alle juristischen Mittel auszuschöpfen.

Schreiben von RA Dominik Storr an Staatsminister Brunner, München
siehe auch Landwirtschaftsministerien von Köberle, Brunner, Puttrich & Co. rufen zum Rechtsbruch auf