26.09.2014

Jagdgesetzentwurf NRW: gute Ansätze, aber unzureichend

Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat ihren Entwurf für ein neues Landesjagdgesetz vorgelegt. Wildtierschutz Deutschland e.V. begrüßt, dass darin einige wichtige tierschutzrelevante Verbesserungen Eingang gefunden haben, kritisiert die Änderungen jedoch als insgesamt unzureichend.

Zu den zentralen Verbesserungen des Gesetzentwurfs gehören zweifellos das Verbot einiger besonders tierquälerischer Jagdpraktiken wie der Baujagd, der Jagd mit Totschlagfallen sowie der Jagdhundeausbildung an lebenden Tieren. Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist zudem, dass zukünftig auch juristische Personen wie etwa Natur- und Tierschutzverbände die Möglichkeit haben sollen, ihre Grundstücke von der Bejagung auszunehmen.

Diesen guten und nur zu unterstützenden Aspekten steht leider eine Reihe verpasster Chancen gegenüber, weiteres Tierleid zu verhindern und die Jagd stärker an wissenschaftlichen Erkenntnissen auszurichten. So wurden an der Liste jagdbarer Arten lediglich kosmetische Korrekturen vorgenommen, obwohl es für die Verfolgung der meisten Wildtierarten keinen vernünftigen Grund gibt.

Bild: Helmut Sütsch, fuchsfilm.de


Jungfüchse beispielsweise dürfen weiterhin das ganze Jahr über getötet werden. Zwar behauptet die Jägerschaft gebetsmühlenartig, dass die Bejagung des Fuchses zur Bestandsreduktion notwendig sei; wissenschaftliche Studien widerlegen dies jedoch bereits seit geraumer Zeit. So lässt intensive Bejagung die Geburtenraten in die Höhe schnellen; eine Reduktion der Fuchspopulation ist daher mit jagdlichen Mitteln weder nötig noch überhaupt möglich. Ebenso wenig gibt es für die flächendeckende Bejagung anderer Beutegreifer, wie etwa des Steinmarders oder des Dachses, oder den Abschuss von Vögeln einen vernünftigen Grund. Hier scheint die Landesregierung dem Druck des Landesjagdverbands gewichen zu sein.

Auch die geplanten Schonzeitenregelungen sind unzureichend. Um Wildtieren eine Phase ungestörter Fortpflanzung und Entwicklung zu geben, bedarf es einer mindestens sechs-, besser neunmonatigen vollständigen Jagdruhe. Stattdessen bleibt die Landesregierung im Wesentlichen beim bisherigen Stückwerk aus meist viel zu kurzen Schonzeiten, die über den Jahresverlauf verteilt sind.

Die Grünen haben das Gesetzgebungsverfahren mit dem Anspruch begonnen, die Jagd stärker an Belangen des Natur- und Tierschutzes zu orientieren und zu einem wissenschaftlich fundierten Wildtiermanagement auszubauen. Diese Ansprüche erfüllt der vorliegende Gesetzesentwurf nur eingeschränkt. Wildtierschutz Deutschland e.V. fordert daher, ihn vor der Verabschiedung an genau diese Pläne anzupassen. Dazu gehört insbesondere:
  • Eine deutliche Einschränkung des Katalogs jagdbarer Arten. Für die Verfolgung etwa von Beutegreifern und Vögeln gibt es keinen vernünftigen Grund.
  • Eine mindestens sechsmonatige gemeinsame Jagdruhe für alle Tierarten.
  • Jagdliche Eingriffe in Tierbestände dürfen grundsätzlich nur dann erfolgen, wenn sie aus übergeordneten Gründen erforderlich sind und die Wirksamkeit der jeweiligen Maßnahme wissenschaftlich nachgewiesen werden kann.


Völlig unverständlich sind unterdessen die aggressiven Proteste der Jägerschaft gegen jede noch so kleine Verbesserung des Schutzes von Wildtieren und Natur. Statt Argumente zu liefern, bedient man sich dort übelster Polemik und wütender Anfeindungen, um Kritiker einzuschüchtern. Offensichtlich haben große Teile der Jägerschaft noch immer nicht realisiert, dass Tiere nach Meinung der weit überwiegenden Bevölkerungsmehrheit eben keine rechtlosen „Sachen“ mehr sind. Eine Jägerschaft, die sich vehement weigert, andere Belange als die eigenen Abschussinteressen zu würdigen, hat in der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts jedoch ganz gewiss keinen Platz mehr.

02.09.2014

Hirnforschung an Krähen in Tübingen

Von Marie-Luise Strewe
Neben Affen und vielen anderen Tierarten wie Ratten, Katzen und Tauben sind neuerdings auch die "Primaten der Lüfte", die hochintelligenten Krähen, ins Visier der Neurobiologen geraten. Das Institut für Neurobiologie der Universität Tübingen unter der Leitung von Prof. Andreas Nieder, ist der erste Lehrstuhl, der neurophysiologisch mit Krähen arbeitet.

Die dortigen Hirnversuche an Krähen laufen ganz ähnlich ab wie die am Affenhirn. Die Vögel werden in der ersten Phase darauf trainiert, komplexe Aufgaben am Bildschirm zu lösen. In der zweiten Phase wird ihnen unter Narkose durch ein Loch im Schädel, über das eine Kammer montiert wird, feine Dauerelektroden ins Gehirn eingepflanzt. Während der Versuche werden die Krähen mittels Futterbelohnung zur Mitarbeit motiviert. Ziel der Untersuchungen ist es, die physiologischen Prozesse im Gehirn, den "Mechanismus der visuellen Speicherung im Arbeitsgedächtnis", zu verstehen.  Am Ende der Versuche werden die Krähen getötet und ihr Gehirn untersucht oder sie werden in weiteren Versuchen eingesetzt.



Ethische Aspekte Die lange Zeit gültige Lehrmeinung, Tiere könnten nicht denken, wurde dank ethologischer und kognitionsbiologischer Erkenntnisse in den vergangenen Jahren gründlich widerlegt. So wichtig das zunehmende Wissen über die kognitiven Fähigkeiten der Tiere in Bezug auf eine Einstellungsänderung in Gesellschaft und Politik ist, so fragwürdig sind allerdings häufig die angewandten Forschungsmethoden. Insbesondere die invasive Hirnforschung, wie sie an der Universität Tübingen, aber auch an anderen Universitäten betrieben wird, widerspricht jeglichen Prinzipien eines ethischen Umgangs mit Tieren.

Es geht auch anders Neben der am wenigsten belastenden Feldforschung an freilebenden Tieren sind in der Hirnforschung längst auch nicht-invasive Verfahren wie die sogenannte Positronenemissionstomographie (PET) oder die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) etabliert. Letztere sind ethisch gesehen zwar auch nicht unproblematisch, weil sie die Tiere zumindest vorübergehend belasten. Sie erlauben aber einen "Blick in Gehirn", ohne die unfreiwilligen "Probanden" dauerhaft zu schädigen und am Ende zu töten. Der amerikanische Ornithologe und weltweit anerkannte Rabenforscher Prof. John M. Marzluff etwa benutzt die bildgebenden Verfahren, um Aktivität in Krähenhirnen sichtbar zu machen. Dazu fangen er und sein Team freilebende Krähen ein, die für die Dauer der Versuche im Labor festgehalten und anschließend wieder freigelassen werden.

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