350 Kanadagänse vs. 170 000 Mülheimer
"Ich mag Tiere wirklich gerne, habe selber einen Hund, aber.. die Gänse sind eine Zumutung" (I. Kammerichs, Geschäftsführerin der Mülheimer Stadtmarketing- und Tourismus GmbH in der WAZ vom 06.07.2008)
"Ich mag Tiere wirklich gerne, habe selber einen Hund, aber.. die Gänse sind eine Zumutung" (I. Kammerichs, Geschäftsführerin der Mülheimer Stadtmarketing- und Tourismus GmbH in der WAZ vom 06.07.2008)
Vorab: Die Rhetorik mit welcher – ich unterstelle zu ihren Gunsten: unbewusst – die Mülheimer Geschäftsführerin hier eine ganz eigene Sorte ideologischen Marketings betreibt, lässt aufhorchen. Wenn etwas bezeichnend für das deutsche Bürgertum ist, dann ist es wohl das Phänomen, dass es nie etwas gegen jene hatte, welche es unmittelbar zum Gegenstand irgendwelcher Bekämpfungsstrategien erkoren hat. "Nichts gegen Ausländer, aber..", "Nichts gegen Schwule, aber..", "Nichts gegen Kommunisten, aber..", "Nichts gegen Sinti und Roma, aber.." und – last but not least - "Nichts gegen Juden, aber..". Da sieht man sich durchaus zu einer den Interessen der Mülheimer Tourismus GmbH konträr laufenden Reisewarnung genötigt: "Angehörige ethnischer Minderheiten werden zu ihrer eigenen Sicherheit gebeten, den Dunstkreis Frau Kammerichs möglichst weiträumig zu umfahren.. . Und: nein, der Vergleich ist keineswegs unangebracht, und es handelt sich bei solchen Formulierungen wie "Ich habe nichts gegen xxxx, aber.." eben nicht um verzeihliche "Entgleisungen" oder "Kavaliersdelikte".
Frau Kammerichs, sollten mich irgendwelche widrigen Umstände in das selbst ohne "Gänseprobleme" nach meinem Empfinden wenig attraktive Mülheim an der Ruhr verschlagen und ich dort in einen – gerade innerstädtisch gar nicht seltenen - Haufen Hundescheiße treten, so wird mir dieser Vorfall unmittelbar Ihren Namen ins Gedächtnis rufen. Merkwürdig, dass sich stets die Brandstifter zuerst zu Wort melden um dem Rest der Welt kundzutun, wo es was zu löschen gibt. Dies lediglich als Hinweis auf einen "roten Faden", auf welchen der Leser auch in den anderen angesprochenen Fällen noch öfter stoßen wird.
Das Mülheimer Tourismus-Tribunal klagt die Gänse an:
Zur Last gelegt wird – wie es sich für Ankläger mit fertigem Urteil in der Tasche gehört – in absentia der Angeklagten, bzw. der seriös-werturteilsfrei laut WAZ "Alles verdreckenden Gänse", Kinder an den "Spielwiesen" der Ruhr am "uneingeschränkten austoben" durch ihre "Hinterlassenschaften" inakzeptabel zu behindern. Schuldig gemacht haben sich die Gänse dabei nicht etwa des Hinterlassens zerdepperter Bierflaschen, benutzter Kondome oder scharfkantigen Angelzubehörs. Sie haben vielmehr schlicht den Mülheimer Kids – die sich natürlich von Spielekonsole und Glotze im häuslichen Habitat der Kinderzimmer mal ordentlich an "ihrem Ruhrufer" durch "uneingeschränktes austoben" regenerieren müssen - wortwörtlich in die Quere geschissen. Wie hätten auch die für ihre Weitsicht berühmten Mülheimer Stadtplaner darauf kommen sollen, dass Flussufer noch eine andere Funktion innehaben und anderen Lebewesen als Aufenthaltsort dienen könnten als "Spielwiesen ausschließlich für Kids"? Hätten die Vögel die letzten 150 Mio. Jahre nicht mit sinnfreien Sperenzchen wie Nahrungsaufnahme, Fortpflanzung, Schlaf und eben auch Koten die Zeit vertrödelt, und statt dessen ihrem Dasein einen Inhalt – wie etwa konsumieren und dabei mittels Mehrwert den "Standort" und letztlich "Arbeitsplätze" sichern, SMS versenden, oder zumindest die Sache mit dem Privateigentum kapieren – gegeben, dann wäre erst gar kein Problem entstanden.
Einfach einen Schildermast ins Ufer rammen, oben die Deutschlandfahne mit Mülheimer Stadtwappen und unten ein Text für die Gänse: "Gänse dürfen nur mit Badekappe ins Wasser und den Menschenkindern nicht vor die Füße kacken!". Tja. In Sachen bestimmungsgemäßer Verwendung von Landschaften haben die Gänse weder ein Definitions- geschweige denn ein Mitspracherecht.
.. und befindet sie – erwartungsgemäß - für schuldig.
Da die "Alles verdreckenden Gänse" (WAZ) nicht einmal eine anständige Verteidigung formuliert bekommen – außer fressen, fliegen, schwimmen, schlafen, sich fortpflanzen und koten gibt's nun mal nicht viel mehr im Leben einer Gans (was dieser aber fürs Überleben bislang auszureichen schien) – da hat die Anklage leichtes Spiel. Die WAZ verkündet das Urteil und willige Vollstrecker werden in Kürze entweder mit Schrot oder Gas die "Probleme" eliminieren.
Einen Vorteil – natürlich nur für jene Sorte Menschen, die es für sich als Vorteil begreifen – hat das Ganze: Die Eltern der am austoben auf ihrer Spielwiese durch Gänse behinderten Kids können ihrem Nachwuchs gleich veranschaulichen, wie in dieser Gesellschaft eigentlich der Laden läuft. Konsequenterweise empfehle ich Frau Kammerichs – auf's Marketing kommt's schließlich an - die Hinrichtung der Gänse als "Reality Show" zu konzipieren und die Kids dem heiteren Schrotschuss (einschließlich dem elendigen Verrecken einzelner Gänse an inneren Blutungen) und / oder dem lustigen Vergasen (funktioniert bei Gänsen ohnehin nur suboptimal) beiwohnen oder aber vielleicht sogar aktiv teilhaben zu lassen. Ist ja schließlich keine Schande, und es sind ja nur Gänse. Vielleicht finden die Kinder sogar Gefallen an der Sache und möchten anschließend statt z.B. Berufswunsch "Lokführer" oder "Pilot" dann "Jäger" oder "Tierkörperbeseitiger" werden. Frau Merkel hat womöglich recht: Am Horizont glitzert gülden die Vollbeschäftigung.