Um die Verbreitung der Afrikanische Schweinepest (ASP) in Mecklenburg-Vorpommern zu verhindern, zieht Till Backhaus, SPD, in Erwägung die Jagd in seinem Bundesland zu intensivieren. Unser Anschreiben dazu vom 10. März bleibt unbeantwortet:
„Sehr geehrter Herr Minister Backhaus,
der Presse war zu entnehmen, dass Sie es nicht ausschließen und auch mit dem Gedanken spielen, die Jagd auf „Aasfresser“ wie Rabenvögel oder Beutegreifer zuzulassen oder zu intensivieren, um der Ausbreitung der ASP entgegenzuwirken. Der Unterzeichner ist der Meinung, dass bereits durch diese Aussage und das daraus resultierende Presseecho ein erheblicher Schaden für das Image dieser Tierarten in der Bevölkerung geschaffen wurde.
Könnten Sie uns bitte mitteilen, auf welchen wissenschaftlichen Erkenntnissen diese - ich nenne sie mal Planungen - basieren?
Unseres Wissens gibt es keinerlei durch seriöse, jagdunabhängige Forschung belegte und belastbare Hinweise dafür, dass durch jagdliche Maßnahmen großflächig eine nachhaltige Reduktion der genannten Tierarten erfolgen kann und schon gar nicht dafür, dass derartige Maßnahmen eine positive Auswirkung hinsichtlich der Prävention der ASP haben könnten. Wildtierschutz Deutschland hält grundsätzlich eine Bejagung von Beutegreifern nicht für notwendig. Wir stimmen darin mit der Einschätzung der bei weitem meisten wissenschaftlichen Ökologen, vieler Naturschutzverbände und des Bundesamtes für Naturschutz überein.
"Die Afrikanische Schweinepest durch Krähenjagd zu regeln ist wildbiologischer Unsinn" (Karl-Heinz Guiard vom Ökologischen Jagdverband) Bild: W. Hupperich |
Aus der Forschung ist hinreichend bekannt, dass die intensive Bejagung von Beutegreifern - insbesondere von Füchsen - vor allen Dingen zwei Konsequenzen hat:
• In bisher unbejagten Revieren wird das stabile Sozialgefüge von Beutegreifern durch die Jagd zerstört. Das Reproduktionsverhalten nimmt unverzüglich zu (mehr Tiere beteiligen sich an der Reproduktion, die Geheckgrößen verdoppeln und verdreifachen sich). In den unbejagten Revieren der Großschutzgebiete Ihres Bundeslandes dürfte die durchschnittliche Geheckgröße bei Rotfüchsen derzeit bei etwa 1,7 Welpen liegen. Diese Zahl wurde zum Beispiel für den Nationalpark Bayerischer Wald in begleitenden wissenschaftlichen Schriftreihen veröffentlicht. Auch hier werden Beutegreifer nicht bejagt. In intensiv bejagten Regionen liegen die Geheckzahlen bei 6-9 Welpen!
• Die Intensivierung der Fuchsjagd führt durch erhöhte Reproduktion einerseits und freiwerdende Reviere andererseits zu einer intensiveren Wanderungsbewegung der Tiere. Insbesondere diese Tatsache dürfte im Hinblick auf eine ASP-Prävention eher kontraproduktiv sein.
Aus der Vergangenheit und aus begleitender Forschung ist hinlänglich bekannt, dass durch die Jagd noch in keinem Fall irgendwelche Seuchen oder Krankheiten, die potentiell durch Füchse verbreitet werden können, eingeschränkt wurden. Die Tollwut wurde nicht durch die intensive Fuchsbejagung eingeschränkt und letztlich eliminiert, sondern allein durch die Ausbringung von Impfködern. Diese wurden hauptsächlich per Flugzeug ausgebracht. Der Befall mit dem Fuchsbandwurm kann durch die Jagd nicht eingeschränkt werden, medikamentöse Lösungen bringen dagegen innerhalb von relativ kurzer Zeit eine dauerhafte Reduzierung.
Vor diesem Hintergrund, Herr Minister, fragen wir uns, welche präventive Auswirkung Sie sich von einer eventuellen Freigabe der Bejagung von jagdbaren Beutegreifern in den Schutzgebieten von Mecklenburg-Vorpommern versprechen.
Quellen: Wissenschaftliche Reihe des Nationalparks Bayerischer Wald (http://www.wildtierschutz-deutschland.de/2011/07/jagd-lost-keine-probleme-jagd-schafft.html), Forschung der TU München, Abtl. Weihenstephan (Projekt Starnberger See zum Fuchsbandwurm), Literaturverzeichnis: http://www.schonzeit-fuer-fuechse.de/links.html
Auch Rabenvögel haben in der Regel ein ausgeprägtes Revierverhalten. Ein jagdlicher Eingriff würde nicht nur bestehende Revierstrukturen unter den Rabenvögeln zerstören, die Jagd wäre auch nicht viel mehr als die Vergrämung eines geringen Anteils des Bestands von gefiederten Aasfressern. Greifvögel, Dohlen und Saatkrähen dürften nach den strengen Kriterien des Naturschutzes in solche Maßnahmen gar nicht erst mit einbezogen werden, den Großteil der Rabenkrähen und auch Elstern würde es in die jagdfreien urbanen Regionen treiben. Auch hier wäre also das Risiko recht groß, genau das Gegenteil einer Prävention zu erreichen. (Quelle: Was bringt die Krähenbekämpfung, Prof. Dr. Josef Reichholf).
Eine Maßnahme, die das Landwirtschaftsministerium jedoch unverzüglich verfügen könnte, wäre ein Verbot der Auslage von toten Tieren (Luderauslagen) zwecks des Anlockens von Aasfressern. Das wäre durchaus auch eine sinnvolle Präventionsmaßnahme.
Ich würde mich freuen, wenn diese Ausführungen ernsthaft in die weitere Entscheidungsfindung in Ihrem Ministerium einfließen würden. Dürfte ich des Weiteren darum bitten, dass Sie uns hinsichtlich der Grundlagen Ihres Ministeriums für Planungen die Jagd auf „Aasfresser“ auszudehnen/zu intensivieren“ ausführlich informieren.
Mit freundlichen Grüßen
Wildtierschutz Deutschland,
Lovis Kauertz (Vorsitzender)“
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