16.12.2010

Gefährliche Jagd mit Bleischrot

Ein Beitrag von Angelika Vogel 

Mit Blei zu schießen hat beim Jagen Tradition. Doch bleihaltige Munition gerät immer stärker in die Kritik. Das giftige Schwermetall reichert sich in der Landschaft an, vergiftet immer wieder Wildtiere und ist auch für den Menschen ein Risiko. Die Jäger halten trotzdem daran fest.

An Bayerns Gewässern ist die Jagd mit Blei seit 2007 gesetzlich verboten. Der Grund: Viele Wasservögel hatten Bleivergiftungen, weil sie Schrotkörner gefressen hatten. Auch für andere Vögel ist die bleihaltige Munition ein Risiko. Doch abseits der Gewässer wollen viele Jäger nicht auf das umstrittene Schwermetall verzichten. Etwa 1.000 Tonnen Bleischrot werden einer EU-Studie zufolge jährlich in Deutschlands Landschaften verschossen.

Vergiftungsgefährdet sind vor allem aasfressende Greifvögel wie Bussard, Adler, Rotmilan oder Kornweihe. Das Schwermetall kann über den Verzehr angeschossener Beutetiere in den Verdauungstrakt der Greifvögel gelangen. Jeder dritte bis vierte der seltenen Seeadler stirbt in Deutschland an Bleivergiftung. Auch in Bayern hat eine tödliche Dosis Blei bereits einen unserer ganz wenigen heimischen Seeadler erwischt.

Willi Holzer betreibt eine Vogelpflegestation und bekommt immer wieder Greifvögel mit Bleivergiftungen. Letztes Jahr war ein wilder Steinadler darunter. Der hatte sich wie ein zahmer Vogel verhalten, war völlig apathisch, als man ihn aufgriff, erzählt Willi Holzer. Zu den typischen Symptomen einer chronischen Bleivergiftung gehören zentralnervöse Störungen, allgemeine Schwäche und Flugunvermögen. Die Vergiftung verläuft meist schleichend.

Seeadler.......Haliaeetus albicilla, Bild: Andreas Klein
Kranke Vögel bringt Holzer in die Vogelklinik der Universität München. Tiere mit zu hohen Bleiwerten bekommen dort Medikamente, die das Schwermetall im Körper binden sollen. Viele Tiere verenden aber unbemerkt in der Natur: Die Blutbildung kann gestört werden, die Abwehrkräfte geschwächt, so dass das Tier schließlich in freier Wildbahn an Entkräftung stirbt, erklärt Prof. Dr. Rüdiger Korbel von der Vogelklinik der Universität München.

Ein Bluttest kann selbst länger zurückliegende Vergiftungen aufdecken. Frische Bleivergiftungen sind außerdem gut auf Röntgenbildern zu sehen. Selbst winzigste Bleiteile können so dargestellt werden. Auf diese Weise wurden an der Vogelklinik schon erstaunliche Mengen gefunden: 13 unterschiedliche Geschosse im Verdauungstrakt eines Uhus beispielsweise.

Auch Menschen, die viel Wild essen, sind durch Bleigeschosse gefährdet. Trifft das Projektil beim Tier nämlich einen Knochen, werden feinste Bleipartikel weit in das Gewebe gestreut. Und wird dieser Bereich nicht großzügig herausgeschnitten, nimmt der Mensch beim Verzehr das giftige Schwermetall auf, erklärt Prof. Rüdiger Korbel. Verschiedene Untersuchungen belegen, dass Rückstände von Blei in Wild zu finden ist, sagt Willi Holzer. In einer Untersuchung sei sogar festgestellt worden, dass die Grenzwerte von mit Bleischrot geschossenem Wild bei weitem die von der EU festgesetzten Grenzen übersteigen.

Dabei sind bleifreie Alternativen auf dem Markt. Warum werden sie nicht flächendeckend eingesetzt? Stahl verhalte sich unkontrolliert und gefährde bei Treibjagden den Menschen, fürchten viele Jäger. Außerdem müssten viele von ihnen ihre alten Flinten gegen neue, stahlschusstaugliche eintauschen. Und weil Stahl leichter ist als Blei, könne man nicht mehr auf so große Distanzen schießen wie bisher, so Egbert Urbach von der BJV Landesjagdschule.

Ob weiter mit Blei oder mit Alternativmunition geschossen wird, entscheiden aber auch die Verbraucher. Wer nachfragt, kann auch ein Stück Wildfleisch bekommen, das bleifrei geschossen wurde.

Zum Thema: Filmbeitrag von 2014