Wie eine jagdrechtliche Ausnahmeregelung in Schleswig-Holstein aus dem Ruder läuft
Fritz Heydemann, NABU Schleswig-Holstein
Wie die allermeisten anderen jagdbaren Tierarten haben Gänse Schonzeiten. Währenddessen dürfen sie nicht geschossen werden – sollte man jedenfalls meinen. Doch das ist ein Irrtum. Mit einer Ausnahmeregelung des Bundesjagdgesetzes können Tiere auch zur Schonzeit bejagt werden. Insbesondere bei Graugänsen wird davon reichlich Gebrauch gemacht, wie eine Recherche des NABU Schleswig-Holstein zeigt.
Mit dem Anstieg der Rast- und Brutbestände der meisten Gänsearten in Schleswig-Holstein haben auch die Klagen aus der Landwirtschaft über angebliche und tatsächliche Fraßschäden zugenommen. Während an der Westküste vor allem Nonnengänse als Wintergäste ins Visier genommen werden, richtet sich der Unmut im Osten des Landes hauptsächlich gegen Graugänse, teilweise auch gegen überwinternde Blässgänse. Die Landesregierung reagierte 2005 mit einer deutlichen Verlängerung der Jagdzeiten. Selbst die Nonnengans, obwohl als im Anhang I der EU-Vogelschutzrichtlinie gelistete Art eigentlich nicht bejagbar, erhielt für die an Westküste und Unterelbe gelegenen Kreise eine reguläre Jagdzeit.
Graugans, lat. Anser anser, Bild Andreas Trepte, www.photo-natur.de |
Das genügte vielen Landwirten und Jägern jedoch nicht. Unter Bezug auf den § 27 des Bundesjagdgesetzes, der zur „Vermeidung übermäßigen Wildschadens" ausnahmsweise auch die Bejagung während der Schonzeit gestattet, erreichten sie bei den Unteren Jagdbehörden Genehmigungen bzw. Anordnungen zum Erlegen von Gänsen, Höckerschwänen und anderen Vogelarten außerhalb der Jagdzeit. Diese Schonzeitabschüsse haben in den vergangenen Jahren offenbar erheblich zugenommen. Deshalb hat der NABU bei den Unteren Jagdbehörden (UJBn) der Landkreise nach entsprechenden Daten gefragt und diese, differenziert nach den betroffenen Vogelarten und Kreisen, nun ausgewertet.