09.04.2011

Offener Brief an Junglandwirt Heino Klintworth

Prof. Dr. Klaus Hamper 

Sehr geehrter Herr Klintworth,
Sie sind Vorsitzender des Vereins der Junglandwirte Niedersachsens. Auf dem Junglandwirtetag in Lingen hatten Sie einen starken Auftritt. Dort durften Sie an der großen Politik schnuppern. Und ließen sich zu einem wundersamen Zitat hinreißen, welches Ihre Hauspostille „Land und Forst" gar in den Ehrenstand des „Zitats der Woche" erhob. Es lautete: „Erst wenn der letzte Stall nicht genehmigt, das letzte Pflanzenschutzmittel verboten und der letzte Bauer aus dem Dorf vertrieben ist, wird die Bevölkerung merken, dass man Bücher nicht essen kann." So weit, so dumm.

Es ist schön, dass Sie dem Ur-Zitat der Öko-Bewegung der 80er Jahre zur Wiederauferstehung verhelfen. Das Originalzitat - Sie wissen es natürlich - lautete: „Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann." Es wird den nordamerikanischen Cree-Indianern zugeschrieben, die sich schon vor langer Zeit ernsthaft und weit vorausschauend Sorge um die schamlose Ausbeutung der unteilbaren Natur durch den weißen Mann gemacht haben. Die Indianer sind verschwunden. Der weiße Mann ist noch da und macht bis auf den heutigen Tag immer und immer weiter.


Bild: Hinrich
Sie lesen also offensichtlich. Leider nicht genug. Das ist schade. Denn wenn Sie mehr und vor allem das Richtige lesen würden, wüssten Sie, dass es gerade die großen agroindustriellen Konzerne sind, die die Bauern aus den Dörfern vertreiben und nicht die Öko-Bewegung und nicht die Bücher lesende restliche Bevölkerung. Ich empfehle Ihnen die Lektüre des gut recherchierten und leicht verständlich geschriebenen Buches von Nina Kleinschmidt und Wolf-Michael Eimler „Wer hat das Schwein zur Sau gemacht? – Mafia-Methoden in der deutschen Landwirtschaft". Es ist im renommierten Knaur-Verlag 1984 erschienen. Sie können es antiquarisch im Internet bekommen. Ich schicke Ihnen auch gern ein Exemplar persönlich zu, wenn Sie wollen. Bereits damals war alles über die mafiösen Zusammenhänge in der Agrarindustrie bekannt, die rücksichtslos kleinbäuerliche Strukturen zerstört haben und bis auf den heutigen Tag weiter zerstören. Ihre älteren Funktionärskollegen leugnen diese Zusammenhänge wider besseres Wissen. Aus durchsichtigen Gründen. Und versuchen, nun mit Hilfe von Vertretern der nächsten Generation die Lüge weiter zu zementieren.

Gerade in diesen Frühlingstagen sieht man auf den Feldern, mit welcher Sorglosigkeit Pflanzen"schutz"mittel von Ihnen und Ihren Berufskollegen eingesetzt werden. Riesenflächen von über den Winter brach liegenden Flächen haben innerhalb weniger Tage ihre Farbe von grün zu gelb gewandelt. Weil das gewachsene Grün (vulgo „Unkraut") vor dem Umbruch der Flächen mit Roundup, einem alles vernichtenden Herbizid der Firma Monsanto, besprüht wurde. Es werden pro Jahr in Deutschland über 30.000 Tonnen hochkonzentrierter Pestizide von den Bauern auf die Felder versprüht. Deren Reste bleiben irgendwo. Im Grundwasser. Und in der Nahrungskette, die beim Menschen endet.

Es ist hohe Zeit, mit diesem Wahnsinn aufzuhören. Wohin die unreflektierte Fortschrittsgläubigkeit führt, sehen wir derzeit in Japan. Dort fliegt uns der Fortschritt gerade mit jahrtausendelanger tödlicher Halbwertszeit um die Ohren. Mit der rücksichtslosen Abholzung der tropischen Regenwälder für Soja- und Palmöl-Plantagen für unsere Massentierhaltung und für unser „Bio"-Ethanol leiten wir den nächsten globalen GAU ein.

Auch in der heimischen Landwirtschaft muss es anders werden, wenn sie als Erwerbszweig Vieler und nicht als Großindustrie Weniger überleben will. Verstehen Sie das Originalzitat der Cree-Indianer. Brechen Sie mit den Dogmen der Altherrenriege Sonnleitner, Meyer zu Wehdel und Hilse. Suchen Sie sich zukunftsfähige Partner, die die bäuerliche Landwirtschaft wieder zu dem machen, was sie einmal war, nämlich ein ehrenwerter Berufsstand, der seinen Mann und seine Frau ernährt. Die Agroindustrie wird das weiter zu verhindern suchen und allenfalls die letzten verbliebenen Bauern zu Lohnknechten machen. Die jetzigen Regierungsparteien werden dabei nicht mehr lange Unterstützer sein können. Weil sie bei den nächsten Wahlen auf lange Zeit in der Opposition verschwinden werden. 

Es ist immer das Vorrecht der Toren gewesen, auf ihre Torheit stolz zu sein. Und es ist immer das Vorrecht der Jugend gewesen, enthusiastische Gedanken nicht wirklich zu Ende zu denken. Der Jugend entwächst man von selbst. Um der Torheit zu entwachsen, muss man sich aktiv bemühen.

Degradieren Sie sich nicht selbst zum willfährigen Bahnsteigschaffner längst abgefahrener Züge. Nur die Jungen wie Sie können eine Wende herbeiführen, die der Landwirtschaft auf Dauer und nachhaltig eine Zukunft garantiert. Ich bitte Sie: Werden Sie in diesem Sinne aktiv.

Mit herzlichen Grüßen,
Prof. Dr. Klaus Hamper