In Nordrhein-Westfalen gehen Jäger auf die Barrikaden. Anlass ist die längst fällige Novellierung des Landesjagdrechts. Jochen Borchert, ehemaliger Landwirtschaftsminister, heute Präsident des Landesjagdverbandes NRW, sieht den „gesellschaftlichen Konsens auf dem Gebiet des Jagdrechts“ gefährdet. Sein Jagdverband ist gegen eine Änderung des Gesetzes, welches sich seit langer Zeit „bewährt“ habe.
Das aktuelle Jagdrecht wurde in den frühen 1950er Jahren für die Bundesrepublik Deutschland neu gefasst. Trotz der Einführung eines Tierschutzgesetzes und der Änderung unserer Verfassung hinsichtlich des Tierschutzes gibt es seit über 60 Jahren überhaupt keine signifikanten Änderungen des Jagdrechts. Heute hat der Bund bezüglich der Jagdgesetzgebung die gesetzgeberische Rahmenkompetenz, die entscheidenden Umsetzungsgesetze fallen unter Landesrecht.
Von welchem gesellschaftlichen Konsens ist hier die Rede, Herr Borchert? Bild: Jo Kurz. Jungfüchse in der Lebendfalle. Danach werden sie getötet - fragen Sie lieber nicht, wie. |
Das seitdem nahezu unveränderte Jagdrecht bedarf dringend einer Modernisierung. Insbesondere aus ökologischer Sicht und aus der Sicht des Tierschutzes ist es anachronistisch geworden. Jagdpraktiken wie die Fallenjagd oder die Ausbildung von Jagdhunden an lebenden Füchsen und Enten widersprechen dem hohen Stellenwert, den der Tierschutz heute im Grundgesetz und im öffentlichen Bewusstsein einnimmt. Deshalb ist es folgerichtig, dass der grüne Umweltminister Remmel dieses heiße Eisen anpackt.
Repräsentative EMNID und GEWIS-Umfragen haben gezeigt, dass es bezüglich der Jagdgesetzgebung keineswegs einen gesellschaftlichen Konsens gibt. Die heutigen Jagdmethoden sind höchst umstritten - und das bezieht sich nicht nur auf das Töten von Hund und Katze durch Jäger.
Es herrscht große Unwissenheit über zahlreiche auch tierquälerische Aspekte der Jagd und ihre ökologische, ökonomische und epidemiologische Sinnlosigkeit. Moderne Jäger haben das längst erkannt: sie halten - übrigens wie zahlreiche jagdunabhängige Wissenschaftler - z.B. die Reduktion der sogenannten Beutegreifer (Fuchs, Dachs, Marder u.a.) zum Zwecke der Bestandsregulierung für so überflüssig wie die Zitzen am Keiler.
Die Fallenjagd gehört ins Mittelalter, aber nicht in eine Zeit, in welcher der Tierschutz Bestandteil des Grundgesetzes ist. Fallenjagd ist auch überflüssig, weil sie vornehmlich auf nachtaktive Beutegreifer abzielt. Diese aber haben wichtige Funktionen im Hinblick auf ein gesundes ökologisches Gleichgewicht - sie beseitigen Aas, fressen vornehmlich Mäuse, andere Nager und schwache und kranke Geschöpfe und sie sorgen durch Selektion dafür, dass die gesunden und starken Tiere sich vermehren. Dem Argument der konservativen Jägerschaft, durch die Jagd auf Fuchs und Dachs Artenschutz zu betreiben widersprechen zahlreiche wissenschaftliche Studien. Verantwortlich für den Rückgang von Rebhuhn, Kiebitz & Co. ist die Umstrukturierung und die Intensivierung der Landwirtschaft. Auch die Jagd selbst trägt eine Mitschuld.
Es ist höchste Zeit, dass die Politik den Mut und die Kraft aufbringt, ein Gesetz auf den Weg zu bringen, welches in vielen Punkten nicht nur tierschutz-, sondern auch gesellschaftskonformer ist als das, was heute von manchen als gesellschaftlicher Konsens verkauft wird. Das moderne Nordrhein-Westfalen könnte auch hier eine Vorreiterrolle einnehmen.
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