Verfolgt man die Presse und sonstige Verlautbarungen aus Jagdkreisen hat man schnell den Eindruck, dass es kaum noch Wildtiere gibt – Schädlinge scheinen an deren Stelle getreten zu sein.
So wird als wesentliches Argument für die Jagd und für die Rücknahme von Schonzeiten immer wieder der Schutz vor Schäden an land- oder forstwirtschaftlichen Flächen und auch in der Binnenfischerei vorgegeben. Die Jägerei soll uns vor Seuchen bewahren und in der aufgeräumten Landschaft für ökologisches Gleichgewicht sorgen.
Wer in unserer Natur als Schädling diffamiert wird, hat nicht gut lachen: Er wird erbarmungslos mit Blei gejagt oder ihm wird gar mit Fallen nachgestellt. In signifikant vielen Fällen hat der lange leidensträchtige Tod des Wildtieres mit „weidmännischer" Jagd nichts zu tun, vom Tierschutz gar nicht erst zu reden.
Wir sind keine Schädlinge: Marderhund-Pärchen Bild: Luise Dittombée |
Es gibt kaum ein Wildtier, welches nicht auf des Jägers Schädlingsliste steht:
Das Wildschwein gräbt Kartoffeläcker um und auch schon mal einen Golfplatz. Wie das Rehwild vermehrt es sich ungezügelt, nur, dass Letztgenannte auch noch den Wald anknabbern. Das machen Kaninchen manchmal mit Obstbäumen oder mit den Stiefmütterchen auf dem Friedhof.
Gänse vom Nil und aus Kanada, Enten heimischer Provenienz und Tauben sind wegen ihrer Hinterlassenschaften an gepflegten Seeufern oder auf dem Kirchplatz unbeliebt, Krähen und Elstern stehlen des Bauern Saat oder räubern Singvogelnester aus. Sogar am Niedergang des Hasen seien sie nicht unbeteiligt. Der Binnenfischer wünscht dem Kormoran … nichts Gutes.
Bei Hessens Umweltministerin Puttrich haben wir gelernt, dass der Dachs die Verkehrsunfallstatistik erhöht und auf der Suche nach Engerlingen sogar ganze Maiskulturen umgräbt. Für ganz schlimm halten manche Jäger die Osteuropäer und andere Ausländer – allen voran Marderhund, Mink und Waschbär. Die Beutegreifer, insbesondere Reineke Fuchs, werden mit dem Argument Überträger des Fuchsbandwurms zu sein, eliminiert. Nicht die Landwirtschaft oder gar die Jagd selbst, nein Fuchs & Co. sind angeblich auch für den Untergang von Rebhuhn und anderen Bodenbrütern verantwortlich. Es gibt allerdings auch Jäger, die diesbezüglich anders denken: die „ökologischen" Jäger.
Die Liste der vermeintlichen Schädlinge ist noch viel länger: Hunde und Katzen gehören dazu, ebenso wie Eichhörnchen, Greifvögel und – man höre und staune – Igel, die inzwischen aber geschützt sind. Vielen nutzt es aber wenig, denn eine Garantie vor Nachstellung ist das nicht. Eine Frage der Zeit ist es, wann auch wieder Wolf und Luchs zu Schädlingen degradiert werden – es wird garantiert nicht lange dauern.
Etliche Arbeiten von jagdunabhängigen Wissenschaftlern und auch jagdfreie Gebiete belegen, dass die Natur die intensive Jagd, wie sie in Deutschland mit über 300.000 Freizeitjägern betrieben wird, nicht braucht. Die Natur reguliert sich ohne die Jagd weitgehend von selbst und die Biodiversität würde wahrscheinlich sogar zunehmen.
Manche Wissenschaftler, wie Prof. Josef Reichholf von der Zoologischen Staatssammlung München, aber auch prominente Jäger wie zum Beispiel der Wildschweinexperte Norbert Happ, sind der Meinung, dass die Jäger viele der ökologischen Probleme selbst verursachen, die sie dann mit bleihaltigen Geschossen wieder lösen wollen.
Wer ist dann der Schädling? Das Reh, welches in der Winterruhe gestört wird, das Wildschwein, welches gemästet wird, der Fuchs, welcher die Rötelmaus oder auch mal Kaninchen kurz hält … oder doch der Mensch, der das ökologische Gleichgewicht signifikant stört?
Es gibt zahlreiche Stimmen, die eine Bejagung von Beutegreifern wie dem Fuchs oder Marderartigen und von Federwild für nicht erforderlich halten. Damit könnte man auch endgültig auf die Fallenjagd und die Ausbildung von Jagdhunden an lebenden Wildtieren verzichten.
In einigen Regionen scheint es mehr Schwarz- und Rehwild zu geben, als es die kultivierte Landwirtschaft verträgt. Mittelfristig könnte man hier Abhilfe schaffen durch ein Maßnahmenpaket, bestehend aus absolutem Fütterungsverbot (außer in strengen Notzeiten), weitgehender Jagdruhe (Januar – September) und Empfängnisverhütung in ausgewählten Problemzonen (keine Auswirkung auf die Qualität des Wildbrets). Und was machen die Jäger dann? Auch dann wird es noch viele Aufgaben für den Jäger geben: die Nachsuche von verletztem Wild, das Pflanzen von Hecken, das Zählen von Wildtieren … und in den Herbstmonaten darf ja dann auch wieder in begrenztem Umfang gejagt werden.
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