23.01.2012

Staatlich geduldete Tierquälerei: Nur jeder dritte Schuss ist tödlich

Schuss – und tot. Das wäre wahrscheinlich weidgerecht. Doch die Realität sieht häufig anders aus. Insbesondere dann, wenn sich das Ziel bewegt.

So berichtet beispielsweise die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz (TVT), dass bei Drückjagden auf Wildschweine in Hessen nur etwa ein Drittel mit Blattschuss erlegt wurden. Mehr als 60 % der Tiere hatte man dagegen entweder den Kiefer weggeschossen, ein Bein zersplittert oder mit Bauchschuss oder am Rückenmark schwer verletzt. Besonders kritisch sei auch das Schießen auf Rehwild im Rahmen von Bewegungsjagden. Denn flüchtendes Rehwild könne aufgrund seiner arttypischen Bogensprünge nicht sicher getroffen werden.

Ein Nachsuchenführer bestätigt: „Bei den meisten Schüssen auf Drückjagden werden Äser-, Gebrech- und Keulenschüsse einfach in Kauf genommen. Bei den heute üblichen Bezahljagden in den Forsten erlebt man die übelsten Aasjäger."  Auch beim Deutschen Landwirtschaftsverlag erfährt man, dass bei Bewegungsjagden nur 25 – 30 % der Tiere durch Blattschuss erlegt werden.

„Viele der „angebleiten" Tiere werden auch bei Nachsuchen nicht aufgefunden – wenn diese überhaupt durchgeführt werden", erläutert Lovis Kauertz von Wildtierschutz Deutschland, „denn viele Jäger verheimlichen den Mitjägern mögliche Fehlschüsse, während schwer verletzte Tiere irgendwo im Dickicht verbluten oder verhungern."

Kaum tödliche Treffer bei Bewegungsjagden, Bild B. Pelli


Die Anzahl der Bewegungsjagden hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Waldbesitzer, Bauernverbände und politisch Verantwortliche in den Ministerien fordern intensiv gegen die vermeintlichen „Waldschädlinge" vorzugehen. Sie halten revierübergreifende Bewegungsjagden für das Mittel der Wahl. „Wald vor Wild" heißt die Prämisse.

Die Realität wird ausgeblendet. Unsägliche Tierquälereien werden in Kauf genommen. Großräumig  - selbst während der Winterruhe -  wird das gesamte Wild beunruhigt. Der Schütze selbst ist vollkommen überfordert: Innerhalb von Sekunden muss er entscheiden, ob es sich beim flüchtenden Tier um ein weibliches Reh oder ein Schmalreh (junges Tier), um einen abgeworfenen Rehbock (Rehbock ohne Gehörn) oder um Rehkitze handelt, eine Leitbache oder einen nicht (Nachwuchs) führenden Überläufer. Fehlschüsse sind vorprogrammiert. Dazu der Erfolgsdruck und … das eigene Unvermögen, das flüchtende Tier zielsicher zu treffen. Regelmäßige Schießnachweise werden von Jägern nicht gefordert. Die Wenigsten nutzen entsprechende Angebote, ihre Treffsicherheit zu trainieren.

Ziel der Bewegungsjagden ist es, innerhalb kurzer Zeit möglichst viele Tiere zu töten. Oft rücken einige Dutzend Jäger und Treiber mit ihren Hunden zur Drückjagd an, manchmal umfasst die Jagdgesellschaft auch mehrere Hundert Personen. Die Zeitschrift „Wild und Hund" bezeichnet diese Art von Jagd als „Totmacher" und stellt in Frage, ob es sich hierbei noch um Jagd oder nur noch um Schädlingsbekämpfung handelt.

Was Politiker landauf, landab fordern ist reine Symptombekämpfung. Dass dadurch überhaupt nichts erreicht wird, zeigt der Blick in die Statistiken. Trotz  - oder vielleicht gerade wegen -  intensiverer Verfolgung gerade des Schwarzwildes steigen die Bestände seit Jahrzehnten kontinuierlich an. Die Ursachen der hohen Wildbestände haben zu einem großen Teil die Jäger selbst zu verantworten: die Zerstörung der Sozialverbände des Schwarzwildes führt zum Aussetzen der natürlichen Bestandskontrolle. Tonnenweise Futtermittel wirken sich positiv auf die Reproduktionsraten der Tiere aus. „Noch mehr Jagd ist nicht zielführend"  ist sich Kauertz sicher, „weniger ist mehr – das gilt für die Jagd wie für's Füttern." Ein weiterer Ansatzpunkt zur Eindämmung von Wildschwein- und Rehbeständen sei die gezielte Empfängnisverhütung in punktuell auffälligen Regionen. 

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