Dr. Kai Frobel, Bund Naturschutz in Bayern e.V.
In Bayern läuft derzeit eine Hetzkampagne gegen seltene oder zurückkehrende Tiere wie Wolf, Luchs, Biber, Kormoran und Fischotter. Sogar zum offenen Gesetzesbruch wird aufgerufen. Der BN fordert Politiker, Almbauern, Teichwirte und Angler auf, die Tiere in Ruhe zu lassen.
Wildtiere brauchen zum Überleben außerdem einen Beitrag der gesamten Gesellschaft: überfällig ist ein staatlicher Härtefonds mit Ausgleich besonderer Einzelschäden, Mittel für Präventionsmaßnahmen und ein staatlich getragenes Beratersystem als Mittler zwischen Mensch und Wildtier. Die nötigen Mittel des Freistaates sind von derzeit jährlich ca. 0,8 Mio. € kurzfristig auf ca. 2,5 Mio. € aufzustocken.
Im ländlichen Raum wird gezielt Stimmung gemacht gegen rückkehrende Arten. Fischotter, Biber, Kormoran, Wolf und Luchs werden als Sündenböcke benutzt, um abzulenken von den eigenen Defiziten sowohl beim Schutz von Fließgewässern wie bei der fehlgeleiteten Agrarpolitik.
Typische Forderungen aus den letzten drei Monaten:
- „Der bayerische Alpenraum ist als wolfsfreies Gebiet auszuweisen (No-go-area)", „Der im Mangfallgebirge ansässige Wolf ist unverzüglich zu entnehmen" (Almwirtschaftlicher Verein Oberbayern). "Der Wolf muss weg" (Bürgermeister Hans Hofer, Bad Feilnbach)
- „Die Bestandsreduktion mit Fanggenehmigungen für den Otter muss kommen" (Alois Rosenberger, Vorsitzender Bezirksfischereiverein Wegscheid)
- „Biberplage" (MdL Reinhard Pachner, CSU). „Deshalb wird dieses Ungeziefer jetzt geschossen" (Kreisrat Hans Keil, CSU, Landshut, zu Biber).
Ramsau bei Berchtesgaden |
Ökologische Ignoranz Die Diskussion ist geprägt von ökologischer Ignoranz. Zentrale Denkmuster sind „Fehlen natürlicher Feinde", „Übervermehrung" und „nötige Reduzierung". Die umstrittenen Arten sind Endglieder von Nahrungsketten oder selbst Großraubtiere: Sie hatten noch nie „natürliche Feinde", auch nicht in menschenfreien Urlandschaften. Der entscheidende bestandsbegrenzende Faktor ist das Nahrungsangebot in Form von Pflanzen oder Fleisch in der Landschaft. Sie regulieren sich selbst, mit seit Jahrmillionen erprobten Reviersystemen und höchst intelligenter Anpassung der Nachwuchszahl an das Nahrungsangebot. Für uns Menschen als Spitzenraubtier, das diesen Planeten hemmungslos ausplündert, scheint das vielleicht deswegen so schwer verständlich, weil uns eine derartige Selbstbeschränkung sehr schwer fällt.
Menschengemachte Probleme Viele Probleme sind zudem menschenverursacht: wer in der freien Landschaft Fischteiche systematisch von natürlichen Versteckmöglichkeiten wie Schilf und Seerosen „säubert" und in diesen nackten Badewannen eine unnatürlich hohe Fischdichte erzeugt oder wer Hunderte von Forellen in quadratmetergroße Becken sperrt, der kann schlecht dem natürlichen Fischfresser vorwerfen, dass er auf diese Massentierhaltung unter Wasser reagiert. Wer bis zum Gewässer ackert, verursacht zwangsläufig Biberschäden. Wer meint, Schafe im Alpenraum frei laufen lassen zu können, was es bis zur Ausrottung des Wolfes in der Menschheitsgeschichte nie gab, muss seine Nutzungsform anpassen.
Beim rigorosen Abschießen und Töten von Wildtieren ohne vernünftigen Grund ist Bayern bundesweiter Spitzenreiter. Der Bär Bruno 2006 war kein Einzelfall: Abschuss von Wölfen im Bayerischen Wald 1976, 2002 und 2004, Abschuss von Kormoranen seit 1996 bis 2010: ca. 72.000 Kormorane (allein im Winter 2009/2010: 8.724 gemeldete Abschüsse), Abschuss von 5.300 Graureihern, 25.000 Elstern, 50.000 Rabenkrähen, 30.000 Eichelhähern pro Jahr in Bayern und anhaltende illegale Tötungen von Luchs und Biber.
Schluss mit der Hetze! Mit dieser Politik des Tötens als Ablenkung von den eigentlichen Problemen muss endlich Schluss sein. Der BN lässt nicht zu, dass eine Hetze gegen Tierarten erfolgt, um Fehler einer ökologisch nicht nachhaltigen Landnutzung oder eigene politische Defizite zu kaschieren!