Von Karin Hutter, animal-public.de
Laut Bundesjagdgesetz § 23 sollen Jäger das Wild vor allerlei Unbill schützen. Nein, nicht vor rasenden Autofahrern und gleichgültigen Landwirten, die alljährlich hunderttausende von Wildtieren zur Strecke bringen, sondern vor “wildernden Hunden und streunenden Katzen”. Wie der geforderte Schutz zu gewährleisten sei, darüber schweigt sich das Jagdgesetz aus. Es blieb schlicht und einfach offen.
So offen, dass in allen Landesjagdgesetzen wie selbstverständlich der Passus enthalten ist, nach dem Jagdschutzberechtigte befugt sind – nicht verpflichtet!!!, wildernde Hunde sowie streunende Katzen zu töten. Auf eine Definition, was unter Wildern oder Streunen zu verstehen ist, wurde wohlweislich verzichtet. Die Jäger werden es schon wissen, und die Gerichte bestätigen sie darin. So wird landauf-landab vom Tötungsrecht Gebrauch gemacht. Das Resultat: etwa 40.000 erschossene Hunde und 350.000 getötete Katzen pro Jahr.
Dazu kommen noch eingewanderten Wölfe und wiederangesiedelten Wildkatzen, die “versehentlich” von Jägern getötet wurden. Ein Straftatbestand, der, sofern er überhaupt ans Licht kommt, kaum als solcher geahndet wird. Meines Wissens wurde keinem einzigen Jäger, der eine dieser besonders geschützten Tierarten ums Leben brachte, je böse Absicht oder gar Vorsatz unterstellt. Er hatte ja ein glaubwürdige Ausrede….
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Es hat also seinen Grund, wenn von Jägern der Eindruck erweckt wird, als zögen hier und heute ganze Rudel halbverhungerter, verwilderter Haustiere durchs Land. Als sei die Anwesenheit von Hund oder Katze in Wald und Feld das schlimmste, was der freilebenden (jagdbaren) Tierwelt passieren könnte. Als seien Hunde und Katzen an der Ausrottung anderer Tierarten beteiligt. Alles Jägerlatein! Für den Stress, das Leiden und den gewaltsamen Tod von Wildtieren gibt es viele Schuldige – nicht zuletzt die Jäger selbst. Haustiere haben daran einen so geringen Anteil, dass er noch nicht einmal statistisch erfassbar ist. Eine altbekannte Tatsache – auch für Jäger! Wenn ihnen nämlich die Argumente zur Verteidigung des Haustierabschusses ausgehen, kommt das letzte, das schwächste und unsinnigste: Hunde und Katzen brächten Unruhe ins Revier – zusätzlich zu Joggern, Mountainbikern, Reitern, Pilzsammlern… Das ist die Richtung, aus der der Wind weht!
Das Jägerrecht zum Abschuss von Haustieren hat eine lange Tradition. Es ist ein Relikt aus der Feudalzeit, das im Reichsjagdgesetz festgeschrieben und – wie viele andere Regelungen auch – in die heute geltenden Landesjagdgesetze übernommen wurde. Mit Jagd hat das rein gar nichts zu tun, dafür umso mehr mit Besitzstandssicherung und Machterhalt. Früher mussten Untertanen ihren Hofhunden ein Bein abhacken (Tirol) oder ihnen einen schweren Knüppel ans Halsband hängen, damit sie sich nicht am herrschaftlichen Wild vergreifen konnten. Heute geht die z.T. miserable Hundehaltung auf dem Lande nicht selten auf des Diktat eines ortsansässigen Jägers zurück. Seine Drohung, den frei laufenden Hofhund bei nächstbester Gelegenheit zu erschießen, bewirkt , dass das Tier sein Leben an Kette und Leine fristen muss. Und passiert es dennoch, macht sein Tod keine Schlagzeilen. Der geschädigte Tierhalter, oftmals verstrickt in nachbarliche Streitigkeiten, soziale oder finanzielle Abhängigkeiten, zieht den Kopf ein und schweigt. Katzen – seit jeher beliebte Übungsziele der Jäger, weint sowieso kaum jemand eine Träne nach. Es gibt ja genug Nachwuchs …
Seit immer mehr Städter aufs Land drängen – auch Tierhalter, die über ihre Rechte und Pflichten besser informiert sind, gerät die alte Ordnung aus den Fugen. Mit Drohungen und Anpöbeleien versuchen Hobby-Jäger Spaziergänger aus ihren Revieren fernzuhalten. Mit fadenscheinigen Begründungen und falschen Behauptungen, nicht selten mit vorgehaltener Waffe, werden Tierhalter genötigt, ihren Hund anzuleinen, obwohl der oft besser erzogen ist als so mancher Jäger-Hund. Nur: “Jagdrevier” ist mit wenigen Ausnahmen überall, wo Landschaft noch nicht überbaut und versiegelt ist. Jede Freifläche, jedes Feld, jeder Feldweg, jede Wiese, jedes Bachtal ist auch “Revier”, zu dessen Verteidigung sich die Pächter und ihre Helfershelfer berufen fühlen.
Unerklärlicherweise hat sich die Auffassung gehalten, Jagd habe immer etwas mit Wald zu tun. Als würde nur im Wald gejagt oder als wäre ganz Deutschland noch mit Wald bedeckt. Ein Irrtum, der verhängnisvoll sein kann. Denn die Katze, die je nach Bundesland ein paar 100 Meter vom nächsten bewohnten Haus ihre Mäuse fängt, läuft Gefahr, einem Jagdschützer zum Opfer zu fallen. Der Hund, der mit tiefer Nase auf einem Feldweg vor seinem menschlichen Begleiter rennt, läuft Gefahr, als “wildernd” angesehen und erschossen zu werden. Von ausgesetzten Tieren, um die sich kein Mensch kümmert, ganz zu schweigen.
Hier soll nicht jenen das Wort geredet werden, die ihre Tiere verwahrlosen lassen. Besonders Hunde als soziale Wesen leiden unter mangelnder Bindung und Zuwendung, die sie zum Streunen veranlasst, ähnlich wie unter Zwinger- oder Kettenhaltung. Sie aber mit dem Tod zu bestrafen, statt dafür zu sorgen, dass ihre Besitzer zur Verantwortung gezogen werden, ist finsterstes Mittelalter. Mit den Übergriffen der Jäger auf unsere Haustiere muss endlich Schluss sein! Das Recht, Hunde und Katzen zu töten, muss ihnen genommen werden! Ausnahmslos! Die in den Landesjagdgesetzen festgeschriebene Tötungsbefugnis – eine letzte Bastion des Faustrechts – muss fallen! Sie wird aber nur dann fallen, wenn auf allen politischen Ebenen Druck gemacht wird. Und zwar so massiv, dass den Lodengrünen samt ihren Advokaten Hören und Sehen vergeht. Alle Appelle an die “anständigen Jäger” den schwarzen Schafen in ihren Reihen ins Gewissen zu reden, sind nutzlos und gehen am Problem vorbei. Auf freiwillige Vereinbarungen ist kein Verlass! Für Jäger gibt es keinen einzigen Grund, der vernünftig genug wäre, Hunde und Katzen zu töten. Erst wenn jeder Schuss auf ein Haustier illegal ist, wird sich die Spreu vom Weizen trennen.
Es geht hier nicht nur um die willkürliche Zerstörung von Eigentum, das umso eher ersetzt werden muss, je kostbarer es war. Es geht vor allem um die brutalen, nicht revidierbaren Eingriffe in enge Tier-Mensch-Beziehungen. Es geht um das traumatische Erlebnis, das Entsetzen, die Trauer und die Ohnmacht jener Menschen, jungen wie alten, die es nicht fassen können, dass Jäger ungestraft ein geliebte Lebewesen verletzen oder töten können. Und es geht nicht zuletzt um uns alle, die wir den Terror dieser kleinen bewaffneten Minderheit als massive Einschränkung unserer Lebensqualität erfahren. Dass dazu auch der ein angst- und stressfreier Spaziergang mit einem Haustier gehört, wissen wir nur zu gut!
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